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Es ist wieder soweit, der Jahreswechsel steht bevor und damit auch eine der traditionsreichsten Zeiten in Japan. Denn was Weihnachten für uns in Deutschland ist, ist Neujahr in Japan, bei dem die ganze Familie zusammenkommt und die Feiertage gemeinsam verbringt. Doch welche traditionellen Bräuche gibt es zum Neujahrsfest (お正月, Oshōgatsu) und wie unterscheiden sich diese Bräuche von Familie zu Familie?

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Ich hatte das Glück die Feiertage über Neujahr mit der Familie meines Freundes in der Präfektur Niigata verbringen zu dürfen, um so diesen Bräuchen auf die Spur zu gehen. Und was mich da so alles erwartet hat, möchte ich euch natürlich nicht vorenthalten:

Startet aufgeräumt ins Neujahr in Japan!

Da wir geplant hatten am 30. Dezember nach Niigata zu fahren, genauer gesagt nach Nagaoka, begannen unsere Vorbereitungen für das neue Jahr schon einige Tage im Voraus.

Denn ein typischer Bestandteil der Neujahrstraditionen ist das sogenannte Osōji (大掃除), das große Aufräumen vor dem Jahreswechsel. Alte Dinge, die bereits in Vergessenheit geraten sind, werden aussortiert und auch an Orten, wo man vielleicht nicht jedes Wochenende putzt, wird sauber gemacht.

Zu dieser Zeit kann es durchaus vorkommen, dass die Wohnung eher einem Schlachtfeld gleicht, nur um auch Stellen, die gerne übersehen werden, vom Schmutz des alten Jahres zu befreien.

Volle Züge zur Neujahrszeit

Solltet ihr planen Neujahr in Japan zu verbringen, dann solltet ihr vorgewarnt sein, dass diese Zeit, neben der Golden Week im Frühling, zu einer der beliebtesten Reisezeiten für Japaner und Japanerinnen gehört und die Züge auch dementsprechend voll sein werden.

Da uns der Shinkansen zu teuer war, traten wir die Fahrt von Tokio nach Nagaoka mit dem Seishun 18 Kippu an, was wiederum bedeutete, dass wir nur lokale Zuglinien verwenden durften. So wurden aus knapp 2 Stunden Fahrt mit dem Shinkansen, 5 ½ Stunden Fahrt mit lokalen Bahnlinien; 5 ½ Stunden, in denen wir die meiste Zeit standen, denn wir waren nicht die einzigen, die auf diese Weise ihre Familie besuchen wollten.

Natürlich gibt es aber auch noch günstigere Varianten für Zugreisen in Japan. Genauere Informationen zum JR Pass findet ihr in unserem Artikel.

An ausgebuchte Shinkansen und überfüllte Lokalzüge werdet ihr euch zu dieser Zeit gewöhnen müssen. Auch kann es vorkommen, dass Konbinis, ebenso wie Geldautomaten in ländlicheren Gegenden schließen.

Neujahrskarten und -dekoration in Japan

Ein weiterer fester Bestandteil des japanischen Neujahrsfests sind die Nengajō (年賀状), Neujahrskarten, die typischerweise das Tier des kommenden Jahres abbilden, welches vom Tierkreiszeichen bestimmt wird. Das Tierkreiszeichen für 2020 ist die Ratte (2021 wird das Jahr des Ochsen), auch wenn die meisten Abbildungen und Dekorationen niedlichen Mäusen ähneln, weshalb wir uns bei unseren Neujahrskarten auch für kleine hamsterähnliche Nagetiere entschieden haben.

Während wir uns also um die Nengajō kümmerten, bereitete der Vater meines Freundes die Kagami-Mochi (鏡餅, „Spiegel-Reiskuchen“) vor, die vor dem Kamidana (神棚), dem hauseigenen shintoistischem Hausaltar, platziert wurden. Die Kagami-Mochi bestehen aus zwei aufeinander gestapelten Reiskuchen, die von einer Mandarine (jap. みかん, mikan) auf der Spitze abgerundet werden und somit das typisches Symbol zu Neujahr in Japan darstellen.

Gegessen werden dürfen diese Mochi erst am 11. Januar, da sie den Gott Toshigama-sama verkörpern und es ist nicht angemessen ist, sie zu essen, während sich der Gott noch im Haushalt befindet.

Osechi-ryōri an Neujahr in Japan

Doch auf die Mochi kann man gerne noch ein paar Tage warten, denn ein Highlight des Abends des 31. Dezembers ist das Osechi-ryōri (お節料理), ein wahres Festmahl, von dem üblicherweise noch einige Tage später gegessen wird. Daher sind die Bestandteile des Osechi, wie es abgekürzt wird, oftmals mit viel Zucker, Mirin und Sojasauce zubereitet, um diese haltbar zu machen. 

Die Mutter meines Freundes tischte uns, neben dem traditionellen Osechi, noch Sushi, Krabbe sowie verschiedene Salate auf. Wie sie mir erklärte ist es hier von Familie zu Familie unterschiedlich, was neben dem Osechi noch aufgetischt wird. Geprägt sind die meisten Speisen jedoch von lokalen Spezialitäten, und da Nagaoka durch seine Nähe zur Küste eine Vielzahl an Köstlichkeiten zu bieten hat, war es auch nicht verwunderlich, dass diese großzügig vorhanden waren an diesem Abend.

Familienzeit, statt Partytrubel

Während wir uns in Deutschland vielleicht gerade ausgehfein für die geplante Silvesterparty machen, wird zu Neujahr in Japan der Abend gemütlich verbracht. Ein wesentlicher Bestandteil sind die zahlreichen Fernsehsendungen, die auf allen möglichen Sendern laufen.

Für die Familie meines Freundes gehört aber auch Hanafuda (花札) zu einer typischen Neujahrstradition. Die „Blumenkarten“ symbolisieren dabei die 12 Monate des Jahres, wobei jede Karte einen unterschiedlichen Wert hat. So in unser Spiel vertieft, hätten wir auch beinahe den Countdown verpasst, der plötzlich von der Fernsehsendung ertönte, die im Hintergrund lief.

Anstoßen mit Sekt? Nein! Aber mit Toshikoshi Soba

Spätestens jetzt hätten wir in Deutschland nun wohl die Sektkorken knallen gelassen und uns in den Armen gelegen, aber der Übergang zum neuen Jahr geht in Japan etwas gediegener und ruhiger von statten.

Mit einem „Akemashite omedetō“ (明けましておめでとう) wünschten wir uns ein frohes neues Jahr, bevor das kulinarische Schlemmen weiterging und wir kurz nach Mitternacht Toshikoshi Soba (年越し蕎麦) aßen.

Japanische Soba sind Buchweizennudeln, die einen festen Bestandteil der japanischen Küche darstellen. Zu Neujahr symbolisieren die Toshikoshi den Übergang des alten Jahres zum Neuen, ebenso wie das Abbeißen der Buchweizennudeln mit dem Loslassen des alten Jahres gleichgesetzt wird.

Wir aßen sie kalt in einer Dashi Brühe mit Frühlingszwiebeln, sowie einigen Gewürzen und Sesam, aber auch hier kann es verschiedene Varianten geben, ganz nach dem Geschmack der jeweiligen Person bzw. Familie. 

Das erste Gebet des neuen Jahres

Kaum waren die Toshikoshi Soba gegessen, ging es auch schon weiter mit dem Programm und wir zogen uns unsere dicken Wintersachen an. Denn als nächstes sollte es für uns zu einem kleinen Schrein in der Nachbarschaft gehen, dem Hachimangu Schrein in Nagaoka, um dort den ersten Schreinbesuch des Jahres zu absolvieren, auch Hatsumode (初詣) genannt. 

Doch damit war es noch nicht getan. Denn es ging weiter zum nächsten Schrein, dem Hōtokusan Inari Taisha Schrein. Es wird gesagt, dass dieser auf Befehl der japanischen Priesterkönigin Himiko, die von ungefähr 170 bis 248 lebte, zu Ehren der Sonnengöttin Amaterasu errichtet wurde. 

Am Hōtokusan Inari Taisha Schrein schrieben wir unsere Namen auf kleine Figuren aus Papier, die Hitogata genannt werden. Die weißen Papierfiguren symbolisieren die Männer, die roten die Frauen. Neben unseren Namen schrieben wir auch unser Geburtsjahr auf, ebenso wie unser aktuelles Alter, plus zwei Jahre.

Diese gaben wir dann beim Schrein ab und wie mir der Vater meines Freundes erklärte, würden diese Papierfiguren später verbrannt werden, während die Priester für unsere Gesundheit und unser Glück beten würden. Alles Böse und Unglück würde mit dem Verbrennen der Hitogata von uns genommen werden.

Das Neujahrsfrühstück aus Mochi

Mit dem 1. Januar wird auch der obligatorische Neujahrssale eingeläutet, doch bevor wir uns in das Getümmel stürzten, stand erstmal das traditionelle Frühstück zu Neujahr an. Und dieses bestand, zu meiner großen Freude, aus Mochi!

Typischerweise werden die Klebereiskuchen am 1. Januar herzhaft und süß verspeist, wobei es gar nicht mal so leicht ist sich zu entscheiden. Natürlich aber wollte ich die traditionelle Neujahrssuppe, Ozoni (お雑煮) genannt, probieren. Diese Gemüsesuppe, die mit Dashi zubereitet wird, erhält als besondere Beilage Mochi.

Außer der Ozoni gab es noch Mochi mit Ankō (餡子), süßen roten Bohnen, ebenso wie mit Kinako (きな粉), einem Pulver aus gerösteten Sojabohnen. Diese Neujahrstradition sollte aber mit Bedacht gegessen werden, denn jährlich häufen sich die Meldungen von Todesfällen, bei denen Personen bei dem Verspeisen der Mochi erstickt sind.

Daher solltet ihr diese nicht zu hastig essen und auch immer einen Tee oder Wasser zur Seite haben!

Neujahr als Familienfest in Japan mit individuellen Traditionen

Im Anschluss des Frühstücks machten wir uns dann direkt auf ins Getümmel, denn die Geschäfte locken in den Tagen rund um Neujahr nur so mit Angeboten! Besonders beliebt sind die sogenannten Fukubukuro (福袋, „Glückstüten“), die Tüten enthalten Waren eines Geschäfts, wobei ihr im Voraus nicht wisst, was sich in eurer Tüte befindet. Wenn ihr Fukubukuro von beliebten Geschäften wie dem Pokemon Center oder von Ghibli erhalten wollt, solltet ihr bereits vor Ladenöffnung zum Geschäft gehen.

Unser Ziel waren aber vor allem die Lebensmittelgeschäfte, da am Abend die Verwandtschaft meines Freundes zu Besuch kommen sollte. Aber auch das ein oder andere Kleidungsstück fand Gefallen und ging über den Ladentisch.

Die Traditionen variieren von Familie zu Familie, weshalb ich jetzt nur von meinen persönlichen Erlebnissen sprechen kann. Denn eine Tradition in der Familie meines Freundes ist es, die persönlichen Neujahrswünsche aufzuschreiben, die einen das Jahr über begleiten würden. Und so durfte auch ich mich an einen Kalligraphie-Versuch wagen.

Eine weitere gängige Tradition ist das Verteilen des Otoshidama (年玉). Diese Neujahrstradition ist besonders für die Kinder der Familie ein Grund zur Freude, da sie von den Erwachsenen der Familie Geld erhalten. Doch einfaches Verteilen des Geldes wäre ja langweilig. In der Familie meines Freundes ist es beispielsweise üblich, dass erst die jüngsten und dann die ältesten Kinder der Familie ihr Taschengeld erhalten. In diesem Fall war ich diesmal die Älteste.

Im Anschluss dazu spielten wir noch Bingo, womit wir uns kleinere Summen an Otoshidama dazu verdienen konnten und was in einer Runde von 13 Personen sehr unterhaltsam war.

Ein Neujahrsfest der anderen Art erlebt ihr in Japan

Solltet ihr die Möglichkeit erhalten das Neujahrsfest im Kreise einer japanischen Familie zu erleben, nehmt diese Möglichkeit wahr! Es war für mich eine ganz besondere Erfahrung all die Traditionen hautnah miterleben zu dürfen und deshalb möchte ich mich an dieser Stelle auch nochmal bei der Familie meines Freundes bedanken – für die Gastfreundschaft, die Geduld mir alles zu erklären und das herzliche Aufnehmen in die Familie.

Yvonne

Yvonne

Ursprünglich aus Berlin, habe ich in Japan meine zweite Heimat gefunden. Fasziniert vom Land, der Kultur und den Menschen, zieht es mich bereits seit 2012 regelmäßig in das Land der aufgehenden Sonne. Nach einem einjährigen Studienaufenthalt und einem Praktikum, zieht es mich 2022 wieder zurück in meine alte Heimat, in das Zentrum von Tokio.

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