{"id":81381,"date":"2022-02-18T17:00:00","date_gmt":"2022-02-18T08:00:00","guid":{"rendered":"https:\/\/voyapon.com\/de\/?p=81381"},"modified":"2022-04-04T18:44:51","modified_gmt":"2022-04-04T09:44:51","slug":"shikoku-henro-pilgerweg-japan","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/voyapon.com\/de\/shikoku-henro-pilgerweg-japan\/","title":{"rendered":"Shikoku Henro: Der bekannteste Pilgerweg Japans"},"content":{"rendered":"\n
In den letzten Jahren hat es einen regelrechten Pilger-Boom gegeben und das nicht ohne Grund. Bei einer Pilgerwanderung kann man Geschichte und Kultur erleben, sich drau\u00dfen an der frischen Luft bewegen und mit jedem Schritt ein bisschen mehr zu sich selbst finden.<\/p>\n\n\n\n
Auch in Japan gibt es einige Pilgerwege zu entdecken. Ich besch\u00e4ftige mich zwar schon seit vielen Jahren mit dem Thema Religion in Japan, aber mit Pilgerschaften hatte ich mich bisher noch nicht eingehender auseinandergesetzt. Und das, obwohl ich auch schon viel in Japan gewandert bin. Es war also an der Zeit, diese beiden Interessen zusammen zu f\u00fchren und mehr \u00fcber die Faszination des Pilgerns zu erfahren.<\/p>\n\n\n\n
Einer der bekanntesten Pilgerwege Japans ist der etwa 1.200 km lange Shikoku Henro<\/strong> (\u56db\u56fd\u904d\u8def, auch Shikoku-Pilgerweg genannt), der einmal rund um die Insel Shikoku, einer der vier Hauptinseln Japans, f\u00fchrt. Wer diesen Weg beschreitet, wandelt auf den Spuren des legend\u00e4ren M\u00f6nchs Kobo Daishi Kukai (\u5f18\u6cd5\u5927\u5e2b\u7a7a\u6d77). Er f\u00fchrt zu 88 Tempeln und anderen heiligen St\u00e4tten<\/strong>, an denen er im 9. Jahrhundert gewirkt haben soll. <\/p>\n\n\n\n W\u00e4hrend die meisten japanischen Pilgerwege zu einem heiligen Berg f\u00fchren oder sich auf die Verehrung eines bestimmten Buddhas konzentrieren, dreht sich beim Shikoku Henro alles um Kukai, der unz\u00e4hlige Wundertaten vollbracht haben soll. So soll er etwa Kranke geheilt, zahlreiche Br\u00fccken und Brunnen erbaut und unz\u00e4hlige Tempel im ganzen Land errichtet haben. Obwohl einige seiner Leistungen mit hoher Wahrscheinlichkeit in das Reich der Legenden geh\u00f6ren, ist Kukai bis heute anerkannt als einer der bedeutendsten Denker und religi\u00f6sen Figuren Japans.<\/p>\n\n\n\n Nach meinem Besuch in Koyasan<\/a><\/strong> (\u9ad8\u91ce\u5c71), wo Kukai seit fast 1200 Jahren in st\u00e4ndiger Meditation weilen soll, nahm ich die F\u00e4hre nach Tokushima im \u00f6stlichen Teil Shikokus. Ich hatte das wahnsinnige Gl\u00fcck, mich dort mit einem wahren Experten f\u00fcr den Shikoku Henro treffen zu k\u00f6nnen. David Morton, geboren und aufgewachsen in Kanada, ist mittlerweile eingeb\u00fcrgerter Japaner. Er lebt seit zwanzig Jahren in Tokushima und forscht dort \u00fcber die Geschichte des Shikoku Henro. Der perfekte Gespr\u00e4chspartner also, um mehr \u00fcber die Geschichte dieses Pilgerweges zu erfahren. <\/p>\n\n\n\n Wir trafen uns am Hafen von Tokushima und fuhren zusammen zum ersten Tempel. Ich nutzte die Fahrt, um ihm einige Fragen zu stellen. Ich wollte wissen, was den Shikoku Henro so einzigartig macht. Einer der Unterschiede zu den meisten Pilgerwegen in Europa sei, dass er zirkul\u00e4r ist und nicht von A nach B f\u00fchre, erkl\u00e4rte er mir. Die Tempel sind zwar nummeriert, aber man kann sie in einer beliebigen Reihenfolge besuchen. Au\u00dferdem geh\u00f6re zu dem Besuch eines jeden der 88 Tempel ein kleines Ritual, bei dem man das Herz-Sutra und das Mantra des jeweiligen Hauptbuddhas des Tempels rezitiert und sich dann einen Stempel und eine kunstvolle Kalligrafie in sein Pilgerbuch machen l\u00e4sst, als Beleg, dass man bei diesem Tempel war.<\/p>\n\n\n\n Ich fragte ihn, warum ausl\u00e4ndische Besucher den Shikoku Henro und nicht etwa einen der anderen Pilgerwege in Japan beschreiten sollten. Seiner Meinung nach spr\u00e4chen vor allem die Gegend und ihre Menschen daf\u00fcr. Anders als die ber\u00fchmten Tempel in Kyoto kosten die Tempel des Shikoku Henro keinen Eintritt und es gibt viel weniger Touristen, die hierher kommen. Es ist einfach weniger hektisch. Au\u00dferdem hat man w\u00e4hrend der Wanderung die Gelegenheit, alle vier Pr\u00e4fekturen von Shikoku kennenzulernen, die alle ihren eigenen Charme besitzen. <\/p>\n\n\n\n Aber das Wichtigste sei die Herzlichkeit der lokalen Bev\u00f6lkerung. Auf Shikoku gibt es in Verbindung mit dem Pilgerweg eine ganz besondere Kultur der Gastfreundschaft, osettai<\/em> <\/strong>(\u304a\u63a5\u5f85) genannt.<\/strong> Es kommt h\u00e4ufiger vor, dass den Pilgern Kaki-Fr\u00fcchte, Snacks, Getr\u00e4nke und in manchen F\u00e4llen sogar ein bisschen Geld zugesteckt wird,<\/strong> um sie auf ihrer Pilgerschaft zu unterst\u00fctzen. Es gibt in manchen Orten sogar eigens Vereine, um diese Kultur zu pflegen. Urspr\u00fcnglich hatte das Ganze eine religi\u00f6se Bedeutung. Es wird geglaubt, dass Kukai die Pilger w\u00e4hrend ihrer Pilgerwanderung st\u00e4ndig begleitet, daher wird ihnen von den Gl\u00e4ubigen derselbe Respekt entgegengebracht, den sie dem ehrw\u00fcrdigen M\u00f6nch selbst entgegenbringen w\u00fcrden, in der Hoffnung, dadurch Kukais Segen zu erhalten. Bis heute tragen die Pilger Papierstreifen mit sich, die sie als Talismane an die Menschen verteilen, die ihnen auf ihrer Pilgerschaft helfen. <\/strong>Heutzutage spielt dieser Glauben allerdings eine untergeordnete Rolle und die meisten Anwohner freuen sich einfach dar\u00fcber, dass Besucher aus dem ganzen Land und manchmal sogar aus dem Ausland zu Besuch kommen.<\/p>\n\n\n\n Herr Morton erz\u00e4hlte mir eine Anekdote, wie er einmal mit ausl\u00e4ndischen G\u00e4sten auf dem Pilgerweg ging, als ihnen eine Frau ein Netz mit zwei Kilo Orangen in die Hand dr\u00fcckte. Nat\u00fcrlich konnten sie nicht alle selber essen, also stellten sie sich an einen Supermarkt und verteilten sie an die Menschen, die aus dem Supermarkt heraus kamen. \u201cNicht nur die Anwohner helfen den Pilgern,\u201d sagte mir Herr Morton mit einem L\u00e4cheln im Gesicht, \u201cauch die Pilger helfen den Anwohnern. Und das macht die ganze Sache so wertvoll.\u201d<\/p>\n\n\n\n Nat\u00fcrlich wollte ich nicht nur \u00fcber den Shikoku Henro reden, sondern selbst einige der Tempel besuchen. Der erste Tempel auf unserer Liste war Ryozenji<\/strong> (\u970a\u5c71\u5bfa), Tempel Nr. 1 auf dem Pilgerweg<\/a><\/strong>. Kukai soll hier 21 Tage lang religi\u00f6se \u00dcbungen vollzogen haben. Weil dieser Tempel von Koyasan aus gesehen, der am n\u00e4chsten gelegene Tempel auf dem Shikoku Henro ist, beginnen viele Pilger ihre Pilgerwanderung am Ryozenji. Daher kann man hier auch alles bekommen, was man f\u00fcr die Pilgerschaft braucht. Die typische Pilgerkleidung mit dem wei\u00dfen Baumwolloberteil, dem Seggehut, dem Pilgerstab, das Pilgerbuch und die Wagesa, eine Sch\u00e4rpe, die man sich um den Hals legt<\/strong> und die symbolisch f\u00fcr die Robe buddhistischer M\u00f6nche steht. Wer einfach mal ausprobieren m\u00f6chte, wie es sich anf\u00fchlt, in Pilgerkleidung einen Tempel zu besuchen, kann sich diese hier auch ganz einfach ausleihen.<\/p>\n\n\n\n Wir gingen durch das eindrucksvolle Holztor am Eingang des Tempels und in die Haupthalle, in der unz\u00e4hlige Lampen von der Decke hingen. Ein fantastischer Anblick. Alle diese Lampen wurden von Gl\u00e4ubigen gespendet, in der Hoffnung, damit gute Verdienste anzuh\u00e4ufen. Hier traf ich auch auf die ersten Pilger. Nachdem ich schon so viel \u00fcber den Pilgerweg geh\u00f6rt hatte, war es aufregend, mit eigenen Augen zu sehen, wie sie vor der Halle in der Kukai verehrt wird, beteten und Sutren rezitierten.<\/p>\n\n\n\nWas den Shikoku Henro so einzigartig macht<\/h2>\n\n\n\n
Ryozenji: Die Pilgerschaft beginnt<\/h2>\n\n\n\n
Tairyuji: Der Tempel in den Bergen<\/h2>\n\n\n\n