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Ein Besuch in der geschichtsträchtigen Hafenstadt Nagasaki

Historische Stätten Kyushu Nagasaki

Vor 80 Jahren erlangte die Hafenstadt Nagasaki, gelegen an der nordwestlichen Küste Kyushus, durch den Atombombenabwurf der US-Armee während des Zweiten Weltkriegs traurige Berühmtheit. Heute erinnert neben dem Atombombenmuseum auch der danebengelegene Friedenspark an die tragische Vergangenheit der Stadt.

Nagasaki

Doch neben seiner traurigen Vergangenheit, reicht die Geschichte Nagasakis noch weiter zurück und erzählt von einer blühenden Hafenstadt, die unter den Einflüssen ausländischer Händler gedieh und deren Charme noch heute in den Straßen und Gassen der Stadt zu entdecken ist. Und genau dieser einzigartige Charakter der Stadt, stand während unserer Reise nach Nagasaki im Mittelpunkt. Begeben wir uns gemeinsam auf die Spuren ausländischer Kaufleute und eines Samurai-Kriegers, der in die japanische Geschichte als „Vater der kaiserlichen japanischen Marine“ einging.

Europäischer Einfluss in Nagasaki

Wer die Stadt Nagasaki das erste Mal besucht, wird wahrscheinlich überrascht sein von dem allgegenwärtigen Einfluss ausländischer Kulturen, die nicht nur das Stadtbild, sondern auch die Küche Nagasakis geprägt haben. Zumindest ging es mir so. Auch wenn ich mich bereits im Vorfeld mit der Geschichte der Stadt auseinandergesetzt hatte, überraschte mich der europäische und insbesondere der niederländische Einfluss dennoch, der zu einer Art Markenzeichen der Stadt geworden ist. 

Wer sich fragt, woher dieser Einfluss kommt, der muss weit in die japanische Geschichte zurückblicken. Aber hier einmal in Kürze: Zur Zeit von Japans Abschottungspolitik, die unter dem Begriff „Sakoku“ 鎖国 bekannt ist, von den 1630er Jahren bis 1853, war es nur der Hafenstadt Nagasaki gestattet, streng regulierten Handel mit der Außenwelt zu betreiben, während der Rest des Landes zum größten Teil vom Ausland abgeschirmt war. Vor allem niederländische und chinesische Händler ließen sich damals in der Stadt nieder, um ihre Geschäfte voranzutreiben und prägten dementsprechend Nagasakis Stadtbild. Ein Vermächtnis, das noch heute in den Winkeln und Gassen der Stadt spürbar ist.

Dejima: Der Handelsposten der Niederländer

Um einen Einblick in Nagasakis Geschichte während der Zeit der Abschottung des Landes zu gewinnen, gibt es keinen besseren Ausgangspunkt als die künstlich angelegte Insel Dejima, die heute als Museum für Geschichtsinteressierte und Besucher der Stadt dient. Hier ließen sich während der Abschließung Japans niederländische Händler nieder, dank denen Dejima während der Edo-Zeit zum einzigen Handelsposten zwischen Japan und Europa wurde. Da es den Händlern und Kaufleuten nicht gestattet war, Dejima zu verlassen, mit Ausnahme von Besuchen des Suwa-Schreins, entwickelte sich hier eine eigene Welt innerhalb Nagasakis.

europäisches Zimmer in Dejima

Errichtet zwischen 1634 und 1636, ermöglicht Dejima seinen Besuchern heute einen Einblick in das Leben der Kaufleute des 19. Jahrhunderts. Denn bis dato diente die künstliche Insel als Eingangstor europäischer Waren und Wissen in Japan. In den zumeist originalgetreu rekonstruierten Gebäuden könnt ihr mehr über die Vielfalt der Waren erfahren, die ihren Weg aus dem europäischen Ausland nach Japan fanden, und auch umgekehrt.

  • Dejima


    tourist attraction
  • 6-1 Dejimamachi, Nagasaki, 850-0862, Japan
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Glover Garden: Die Heimat der Europäer

Wer noch ein wenig weiter auf den Spuren der Europäer in Nagasaki wandeln möchte, der sollte ebenfalls das Freilichtmuseum Glover Garden besuchen. Dieses besteht aus mehreren Villen und Gebäuden ehemaliger ausländischer Einwohner der Stadt, die auf der Südseite eines Hügels von Minamiyamate liegen und den Hafen Nagasakis überblicken.

Europäische Häuser im Glover Garden in Nagasaki

Wir besuchten den Glover Garden an einem späten Nachmittag und entgingen somit dem großen Besucheransturm. Stattdessen wandelten wir fast alleine durch die zahlreichen Gebäude, die einem das Gefühl vermittelten, direkt in das Europa des 19. Jahrhunderts zurückversetzt worden zu sein. Antike Möbel in opulenten Residenzen mit kunstvoll gestalteten Bordüren – an Japan erinnert hier herzlich wenig. 

Highlight des Museums ist das Glover-Haus, die Residenz des schottischen Kaufmanns Thomas Glover (1838-1911), der 1859, nach der Öffnung des Hafens von Nagasaki, in die Stadt zog und sich hier niederließ. Noch heute gehört Glovers Residenz zu den ältesten Holzgebäuden in ganz Japan.

Da wir den Glover Garden am späten Nachmittag besuchten, hatten wir das Glück, den Hafen im Licht des Sonnenuntergangs bewundern zu können und einen Moment der Stille zu genießen, während sich die Dunkelheit über Nagasaki ausbreitete und mit ihr die Lichter der Stadt erwachten.

  • Glover Garden


    tourist attraction
  • 8-1 Minamiyamatemachi, Nagasaki, 850-0931, Japan
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Sakamoto Ryoma: Auf den Spuren der Samurai in Nagasaki

Aber natürlich prägten nicht nur europäische und chinesische Kaufleute das Bild der Stadt, sondern auch ein Mann, der als der „Vater der kaiserlichen japanischen Marine“ in die Geschichte eingehen sollte. Der Samurai Sakamoto Ryoma kam erstmals im Alter von 30 Jahren nach Nagasaki, wo er die Handelsgesellschaft Kameyama Shachu gründete, auch bekannt als Kaientai. 

Wahrscheinlich fragt ihr euch nun, weshalb eine, von einem Samurai gegründete Firma, so große Bedeutung in der japanischen Geschichte erlangte. Kameyama Shachu gilt als erste moderne Firma Japans und war der Vorläufer von Mitsubishi. 

Ryoma-Straße: Auf den Spuren eines Samurai

Um mehr über das Leben Sakamotos in Nagasaki zu erfahren, machten wir uns auf den Weg, um auf seinen Spuren zu wandeln. Ihr fragt euch, wie das gehen soll?

Ganz einfach: Dank der Ryoma-Straße, die von der Teramachi-Straße zwischen den Tempeln Jinsoji und Zenrinji einen Hang hinauf zum Kazagashira-Park führt, vorbei an den Überresten des Kameyama-Schreins, könnt ihr euch wie Sakamoto und seine Weggefährten fühlen. 

Die Straße, die zu einem historischen Erkundungsweg ausgebaut wurde, führt euch entlang alter Häuser und ruhiger Nachbarschaften. Hier und da findet ihr Informationstafeln über die Mitglieder Sakamotos Handelsgesellschaft, sowie eine Bronzestatue des Samurais im Kazagashira-Park, die hinaus auf das Meer zu blicken scheint.

  • Kazagashira-Park


    park
  • 3 Chome-4-510 Irabayashi, Nagasaki, 850-0802, Japan
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Doch selbst wenn ihr keine Sakamoto-Ryoma-Fans sein solltet, kann ich es euch empfehlen, den Weg an einem warmen Herbst- oder Frühlingstag entlangzugehen. Denn von der historischen Bedeutung einmal abgesehen, waren mein persönliches Highlight die zahlreichen Katzen, die uns während unserer kleinen Wanderung begegneten. Egal ob am Wegesrand, auf den sonnigen Dächern der Häuser oder auf den Steinwänden, welche die Wege zum Teil säumten, überall waren die Samtpfoten anzutreffen, die auch alles andere als ängstlich waren. Schnurrend kamen die meisten von ihnen uns entgegen und forderten uns geradezu aufdringlich dazu auf, sie zu kraulen.

Kameyama-Shachu-Gedenkmuseum

Doch die Ryoma-Straße führt noch zu einem weiteren Highlight, das euch mehr über die Geschichte des Samurai lehrt. Und zwar zum Kameyama-Shachu-Gedenkmuseum. Diese Rekonstruktion des ursprünglichen Gebäudes beheimatet eine Ausstellung zu Sakamoto und seinen Männern. Unter den Ausstellungsstücken finden sich einige einzigartige Artefakte, darunter eine Haori-Jacke mit dem Familienwappen des Samurai.

Die Erklärungen der Artefakte sind zwar ausschließlich auf Japanisch, doch es gibt eine kleine englische Informationsbroschüre sowie ein Video über Sakamoto im Hauptraum, das mit englischen Untertiteln abgespielt wird.

Und trotz seiner geringen Größe, war der Besuch des Gedenkmuseums ein besonderes Highlight unserer Nagasaki-Reise. Unter anderem auch wegen der freundlichen Mitarbeiter, die mit Herzblut dabei sind und euch gerne mehr zu Ryoma Sakamoto und seinen Weggefährten erklären werden.

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Gunkanjima: Die „Kriegsschiff-Insel“ vor dem Hafen von Nagasaki

Doch kommen wir nun zu dem eigentlichen Grund, weshalb es uns nach Nagasaki führte, nämlich ein Ausflug zu der Insel Hashima, besser bekannt als Gunkanjima, die „Kriegsschiff-Insel“ nur rund 20 Kilometer vom Hafen von Nagasaki entfernt.

Die Kriegsschiffsinsel Gunkanjima, Hashima-Insel
Der Blick auf Gunkanjima von der Fähre aus.

Denn auch diese Insel ist, wenn man es genauer betrachtet, mit der Geschichte von Ryoma Sakamoto verbunden. Schließlich fanden hier von 1887 bis 1974 unterseeische Kohleabbauarbeiten unter der Leitung des Mitsubishi-Konzerns statt. Aufgrund einer Energiereform im Jahre 1974 kam es letztendlich zur Stilllegung der Kohlemine, weshalb die Anwohner der Insel dazu gezwungen waren, diese zu verlassen. Aufgrund der schnellen Stilllegung von einem Tag auf den anderen, verließen viele Minenarbeiter und ihre Familie die Insel ohne ihr Hab und Gut. Im Laufe der vergangenen rund 50 Jahre taten die Naturgewalten ihr übriges: Heute ähnelt Gunkanjima einer Geisterstadt mit zerfallenen Gebäuden, die von einer einst bevölkerten Insel erzählen und als Symbol der rücksichtslosen Industrialisierung Japans gilt.

Wer die Insel, die 2015 zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt wurde, besuchen möchte, muss an einer geführten Tour teilnehmen, die vom Hafen von Nagasaki aus losgeht. Gut 50 Minuten dauerte die Bootsfahrt, die uns, mit einem kurzen Zwischenstopp auf Takashima, nach Gunkanjima brachte. Ein gesicherter Besichtigungspfad erlaubte es uns, die Insel zu betreten und die einstige Kohleminenstadt aus nächster Nähe zu betrachten. Ein beeindruckendes Erlebnis, welches sich, wie unser Guide erklärte, im Laufe der nächsten Jahre ändern kann. Schon heute ist ein Großteil der Gebäude aufgrund des Meereswassers und der Taifune zerstört, und auch in Zukunft wird damit gerechnet, dass der Zerfall der Insel nicht zu stoppen ist. Denn widrige Wetterverhältnisse führen immer wieder dazu, dass Touren entweder abgesagt werden oder das Betreten der Insel nicht möglich ist.

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Nagasaki hat sich einen Platz in meinem Herzen erobert und gehört mittlerweile zu einer meiner liebsten Städte Japans. Die Ruhe der Stadt, ihr einzigartiger multikultureller Charme, gepaart mit einer Historie, die über die Schrecken des Zweiten Weltkriegs hinausgeht, haben etwas geschaffen, das es so kein zweites Mal in Japan zu finden gibt. Und ich lege es jedem Nahe, der die Chance hat, Nagasaki wenigstens einmal zu besuchen. Ich hoffe, ihr werdet ebenso begeistert sein.