Die meisten Reisenden kommen nicht zufällig nach Sendai. Die Stadt liegt weder zwischen den Top-Reisezielen, noch präsentiert sie sich mit großen Gesten. Doch wenn man einen ganzen Tag dort verbringt, zeigt die Hauptstadt der Präfektur Miyagi, was wirklich in ihr steckt.
Sendai ist die größte Stadt in Tohoku und bekannt für eines der größten Tanabata-Feste Japans. Sie bietet einen ausgewogenen Mix aus breiten Boulevards und Einkaufspassagen, bewaldeten Hügeln, historischen Stätten und vielen lokalen Besonderheiten, um die Stadt interessant zu gestalten. Gleichzeitig ist Sendai aber auch kompakt genug, um ohne Hektik erkundet zu werden, aber dennoch abwechslungsreich genug, um eure Aufmerksamkeit zu fesseln. Der Rhythmus hier wirkt gemächlich, zumindest im Vergleich zum schnellen Tempo Tokios. Ein kurzer Aufenthalt von ein oder zwei Tagen ist daher ausreichend, um das Nötigste zu erkunden und interessante Sehenswürdigkeiten zu besichtigen.
Ich verbrachte einen gemütlichen, wenn auch etwas verregneten Tag Anfang September in Miyagis Hauptstadt, bevor ich nach Matsushima aufbrach. Erst am Vorabend reiste ich aus Tokio an, um den Tag bereits ab dem frühen Morgen optimal zu nutzen. Und die Orte, die ich besichtigt habe, möchte ich mit euch teilen.
- Frühes Gedränge auf dem Sendai-Morgenmarkt
- Historische Wurzeln des Atago-Schreins
- Samurai-Erbe in Zuihoden und der Aoba-Halle
- Wächterin des Mitgefühls: Sendai Daikannon
- Vergoldete Handwerkskunst bei Osaki Hachimangu
- Panorama in der Dämmerung von der AER-Aussichtsterrasse
- Abendstimmung in der Arkade Hapina Nakakecho
- Verlasst Sendai nicht, ohne Gyutan zu probieren
- Anfahrt nach Sendai
Frühes Gedränge auf dem Sendai-Morgenmarkt
Wenn ihr den Tag gerne mit Kaffee und Ruhe beginnt, dann wird der Sendai-Morgenmarkt 仙台朝市 eine echte Herausforderung für euch werden. Direkt vor dem Ostausgang des Bahnhofs Sendai pulsiert in dieser Gasse die frühe Energie der Fischhändler, Obstverkäufer und Stammkunden, die bereits wissen, an welchem Stand es diese Woche die besten Tomaten gibt.
Sendai-Morgenmartk (Sendai Asaichi)
tourist attraction- Japan, 〒980-0021 Miyagi, Sendai, Aoba Ward, Central, 3 Chome−8−5 新仙台駅前ビル 3F318号室
- ★★★★☆
Hier beginnt die Stadt mit ihrem Tag. Der Markt ist weder groß noch auffällig, sondern kompakt genug, um ihn in zehn Minuten zu umrunden. Wer sich jedoch Zeit nimmt, entdeckt lokale Spezialitäten wie Sasakamaboko (Fischfrikadellen in Bambusblattform), saisonale Früchte in perfekten Pyramiden, verschiedene Meeresfrüchte oder verzehrfertige Gerichte wie gegrillte Spieße, Onigiri oder Sashimi-Platten. Kurz um gesagt: funktional, lokal und mit dem Duft des Meeres.
Historische Wurzeln des Atago-Schreins
Der Atago-Schrein 愛宕神社 liegt auf einem Hügel in Mukaiyama, südöstlich des ehemaligen Sendai-Burggeländes. Es benötigt nur einen kurzen Aufstieg, ein paar Schritte durch ein ruhiges Wohngebiet und vielleicht ein wenig Geduld, falls ihr noch euer Frühstück verdauen müsst. Der Schrein beherbergt Kagu-tsuchi, die Shinto-Gottheit des Feuers, und wurde im Laufe der Jahrhunderte zu einem Zentrum für Brandschutzrituale und Gebete.
Atago-Schrein
tourist attraction- 4 Chome-17-1 Mukaiyama, Taihaku Ward, Sendai, Miyagi 982-0841, Japan
- ★★★★☆
Die Haupthalle und der Andachtsbereich gelten als materielles Kulturgut Sendais. Sie sind geprägt von der Architektur der Edo-Zeit, die Masamune und seine Nachfolger sorgfältig pflegten, und 1650 und 1694 wichtige Reparaturen durchführten. Wenn ihr durch dieses Tor tretet, fühlt ihr die Geschichte der Jahrhunderte. Ihr geht im Schatten der Balken aus der Edo-Zeit und wisst, dass diese Hallen vor über einem Jahrtausend in einer anderen Umgebung standen.
Pilger kommen noch immer mit traditionellen Gebeten hierher, manche bitten um Schutz vor Feuer, andere erbitten Segnungen im Zusammenhang mit ihrem Geburtsjahr, insbesondere jene, die im Jahr der Schlange oder des Drachen geboren wurden, denen der Schrein besonderen Schutz bietet.
Samurai-Erbe in Zuihoden und der Aoba-Halle
Auf dem Hügel, auf dem sich Zuihoden 瑞鳳殿 befindet, kann man sich leicht vorstellen, welche Präsenz Date Masamune (1567-1636) gehabt haben muss. Das Mausoleum des Gründers von Sendai ist von hohen Zedern umgeben und liegt an einem mit Moos und Kies gesäumten Weg. Jedes geschnitzte Detail, jeder Spritzer Lack und Gold sprechen Bände über den Wert dieses Denkmals, das – wenig überraschend – zum Nationalschatz erklärt wurde.
Zuihōden (Grab von Date Masamune)
tourist attraction- 23-2 Otamayashita, Aoba Ward, Sendai, Miyagi 980-0814, Japan
- ★★★★☆
Jedes der Bauwerke ist reich mit Mustern aus Chrysanthemen, Pfingstrosen und Ranken verziert, und strahlt eine gewisse Theatralik aus, ohne jedoch protzig zu wirken. Viel mehr wirkt es präzise und gewollt, als ob die Architektur selbst formelle Kleidung trüge. Es ist schwer, nicht zu verweilen und an den Bauwerken entlang zu schlendern, während man die Details bewundert. Neben dem Mausoleum umfasst der Zuihoden-Komplex mehrere weitere Gebäude, darunter ein Museum und einen Tempel. Es empfiehlt sich daher, sich Zeit zu nehmen, um die Umgebung zu erkunden.
Burg Aoba
tourist attraction- 1 Kawauchi, Aoba Ward, Sendai, Miyagi 980-0862, Japan
- ★★★★☆
Ein kurzer Aufstieg führt euch zu den Nebenhallen und Gedenkstätten, und von dort geht es sanft bergab zur Honmaru-Halle der Burg Aoba 青葉城本丸会館, die teils Museum, teils Erinnerungsstätte ist. Hier befand sich einst die Burg Sendai, deren Bauwerk jedoch längst verschwunden ist. Geblieben sind Interpretationen: Dioramen, Artefakte, ein Souvenirladen und ein herrlicher Panoramablick auf die Stadt.
Wächterin des Mitgefühls: Sendai Daikannon
Sendai Daikannon 仙台大観音 ist selbst aus der Ferne nicht zu übersehen. Diese imposante Göttin der Barmherzigkeit mit ihrer 100 Meter langen, weiß gekleideten Bodhisattva wacht über die Skyline der Vorstadt und dominiert still jeden Blick.
Sendai Dai Kannon
tourist attraction- Nakayamaminami-31-36 Sanezawa, Izumi Ward, Sendai, Miyagi 981-3217, Japan
- ★★★★☆
Draußen beeindruckt die Statue allein durch ihre Größe. Leider schaffte ich es nicht rechtzeitig vor 15 Uhr, um mir das Innere des Drachenmaul-Eingangs selbst anzusehen. Ich hatte mich zwar auf die aufsteigende Spirale mit den 108 Buddha-Statuen und das Panorama der Stadt Sendai von oben gefreut, aber ich gab mich auch damit zufrieden, diesen beeindruckenden Koloss zumindest aus der Nähe zu sehen.
Abgesehen von der Statue war das Tempelgelände des Daikanmitsu-Tempels noch geöffnet. Außer mir war noch ein weiterer Besucher dort, und nach einem kurzen Gespräch schien er begeistert, dass eine Spanierin aus Tokio den weiten Weg hierher auf sich genommen hatte, um ihn zu besuchen. Er schenkte mir 1.000 Yen, die ich im Tempel darbringen sollte, was ich sofort tat, um ihm für seine Freundlichkeit zu danken.
Vergoldete Handwerkskunst bei Osaki Hachimangu
Zurück im Westen der Stadt bietet der Osaki Hachimangu 大崎八幡宮 eine andere Art von Erhebung. Keine weitläufige Skyline oder hoch aufragende Statue, sondern nur eines der schönsten Beispiele der Momoyama-Architektur in der Region, versteckt in einem ruhigen Waldhang. Wenn ihr gut plant und am späten Nachmittag ankommt, fällt die tiefstehende Sonne durch die umliegenden Kiefern und Zedern und spiegelt sich in den schwarz lackierten Wänden und vergoldeten Schnitzereien des Schreins.
Osaki-Hachiman-Schrein
tourist attraction- 4 Chome-6-1 Hachiman, Aoba Ward, Sendai, Miyagi 980-0871, Japan
- ★★★★☆
Der Schrein wurde von Date Masamune in Auftrag gegeben und 1607 fertiggestellt. Das Design ist kühn, aber ausgewogen, und zarte Blumenmuster und Kreaturen breiten sich über die Fassade aus, wie die anmutigen Kraniche unter dem Dach der Haupthalle. Als ich ankam, erzeugte das sanfte Leuchten der Papierlaternen eines bevorstehenden Festes eine mystische Atmosphäre, die ich, abgesehen von einigen anderen Besuchern, fast völlig allein genoss.
Panorama in der Dämmerung von der AER-Aussichtsterrasse
Zurück in der Nähe des Bahnhofs Sendai fügt sich das AER-Gebäude in die Hochhausgruppe ein, obwohl es zum Zeitpunkt seiner Erbauung 1998 das höchste Gebäude Tohokus war. Nehmt den Aufzug zur Aussichtsterrasse im 31. Stock und ihr werdet sehen, warum es sich lohnt, vor Schließung dort anzuhalten. Der Eintritt ist ohnehin frei.
Bei Sonnenuntergang befindet sich die Stadt unter uns im Wandel. Büros leeren sich, Scheinwerfer reihen sich auf breiten Boulevards aneinander, Züge gleiten wie ein Uhrwerk ins Blickfeld und wieder hinaus. Man ist hoch genug, um die Konturen der Innenstadt von Sendai zu erkennen, aber niedrig genug, um ein Gefühl für die Größenverhältnisse zu behalten, mit den Bergen am westlichen Horizont. Ich blieb, bis die Lichter zu einem gleichmäßigen Leuchten ansetzten.
AER-Aussichtsterrasse
tourist attraction- 1 Chome-3-1 Central, Aoba Ward, Sendai, Miyagi 980-0021, Japan
- ★★★★☆
Abendstimmung in der Arkade Hapina Nakakecho
Zurück auf der Straße hat Sendai noch genug Energie für den Abend. Nur wenige Schritte vom AER-Gebäude entfernt, befindet sich Hapina Nakakecho ハピナ名掛丁商店街, eine Einkaufspassage, die sich vom Bahnhofsbereich aus erstreckt. Sie ist überdacht, gut beleuchtet und voller kleiner Geschäfte und Restaurants, die alles von Haushaltswaren, regionalen Snacks oder etwas altmodischer Mode bis hin zu den neuesten Neuheiten und trendigen Restaurants verkaufen.
Hapina Nakakecho
shopping mall- 2 Chome-1 Central, Aoba Ward, Sendai, Miyagi 980-0021, Japan
- ★★★☆☆
Ein stetiger Strom von Einheimischen, manche in Anzügen, manche in Uniformen, manche mit Lebensmitteln in den Händen, strömt in die Geschäfte und Restaurants. Ein perfekter Ort, um am Ende des Tages herumzuschlendern, zwischen den Geschäften zu stöbern und so lange zu laufen, bis etwas gut riecht oder bis man eine Schlange sieht und darauf vertraut, dass die Leute darin wissen, was sie tun.
Verlasst Sendai nicht, ohne Gyutan zu probieren
Auch wenn ihr normalerweise kein Fan von Innereien oder unbekannten Fleischstücken seid, ist Gyutan es wert, probiert zu werden. Dieses Gericht aus gegrillter Rinderzunge ist ein Original aus Sendai, das erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg serviert wurde und heute ein stolzer kulinarischer Botschafter Sendais ist.
Es wird typischerweise in ordentlichen Scheiben serviert, über Holzkohle gegrillt, bis es außen leicht knusprig ist, und mit Reis, eingelegtem Gemüse und Miso- oder Ochsenschwanzsuppe serviert. Die Konsistenz hat mich überrascht: zart, mit genau dem richtigen Biss. Salzig, rauchig und auf eine Art sättigend, die alles andere als neuartig wirkt. Probiert es unbedingt und dankt es mir später.
Anfahrt nach Sendai
Sendai ist eine der am besten erreichbaren Städte in der Region Tohoku. Von Tokio aus gelangt ihr mit dem Tohoku-Shinkansen in etwa 90 Minuten dorthin. Züge fahren regelmäßig von den Bahnhöfen Tokio und Ueno ab. Sitzplätze können je nach Zeitplan im Voraus oder am selben Tag reserviert werden.
Für Reisende mit einem knapperen Budget bieten sich Fernbusse an, die Tokio in etwa fünf bis sechs Stunden mit Sendai verbinden und oft vom Bahnhof Shinjuku oder Tokio abfahren. Die Fahrt ist zwar länger, aber lohnt sich angesichts der Ersparnisse, insbesondere bei längeren Übernachtungen in der Region. In Sendai angekommen, decken die örtlichen U-Bahn-Linien und Busse die meisten Hauptattraktionen der Stadt ab.
Sendai ist eine Stadt, die sowohl als eigenständiges Reiseziel als auch als Ausgangspunkt für die Erkundung von Tohoku eher unter dem Radar fliegt, aber diejenigen belohnt, die ein wenig spazieren gehen, ab und zu aufblicken und im Zeitplan Platz für Geschichte und Zufälle lassen. Ein ganzer Tag reicht aus, um den Rhythmus der Stadt zu spüren, vielleicht gerade genug, um wiederkommen zu wollen.
Übersetzung von Yvonne Tanaka.