Fast scheint es so, als wenn über Hiroshima immer die Sonne scheinen würde. Noch am Tag zuvor war der Himmel grau und trüb, so scheint nun die Sonne und ich blicke in einen strahlend blauen Himmel.
Ganz so wie bei meinem ersten Besuch, denke ich mir und mache mich vom Bahnhof auf den Weg zur Burg Hiroshima, die eine knappe halbe Stunde Fußweg entfernt ist.
Die Geschichte Hiroshimas in einem historischen Gebäude verpackt
Ich möchte heute eine kleine Reise zurück in Hiroshimas dunkle Vergangenheit machen und der beste Ausgangspunkt dafür ist, wie sollte es anders sein, die Burg Hiroshima.
Auch sie fiel dem Atombombenabwurf vom 06. August 1945 auf Hiroshima zum Opfer und wurde 1958 neu errichtet. Heute dient die Burg Hiroshima als Museum für die Geschichte der Stadt vor dem Zweiten Weltkrieg und ermöglicht Ihnen einen Einblick in das Hiroshima vor der Atombombe.
Kraniche wohin man sieht
Auch hier bei der Burg Hiroshima sind sie zu finden. Die vielen kleinen bunten Origami-Kraniche, säuberlich zu langen Ketten aufgefädelt, erzählen ihre ganz eigene Geschichte.
Eine Geschichte, die stark vom Atombombenabwurf geprägt ist und noch heute tausende von Kindern in ganz Japan dazu veranlasst, diese kleinen Origami-Kraniche zu falten.
Und um dieser Geschichte genauer auf den Grund zu gehen, mache ich mich auf den Weg in den Friedenspark.
Von der Burg Hiroshima bis zum Friedenspark sind es weitere 20 Minuten Fußweg, ein angenehmer Spaziergang, erst recht, wenn ich an die lange Fahrt zurück nach Tokio denke.
Der Friedenspark, die Atombombenkuppel und das Kinder- Friedensmonument
Sobald ich den Friedenspark betrete, gleitet mein Blick ganz automatisch zur Atombombenkuppel, die ein stiller Zeitzeuge einer Vergangenheit ist, die in Hiroshima allgegenwärtig zu sein scheint.
Der blaue Himmel steht im starken Kontrast zu der Ruine, die zu einer Gedenkstätte geworden ist und als Symbol der Hoffnung dient, vor der sich nun eine kleine Traube von Menschen versammelt hat.
Diese stehen aus einem ganz bestimmten Grund hier, denn sie lauschen den Geschichten der hibakusha, den Überlebenden der Atombombenabwürfe. Es sind die Nachkommen der hibakusha, die dafür sorgen, dass Besucher des Friedensparks in Hiroshima mit eigenen Augen sehen, zu was Menschen im Stande sein können und welch verheerende Folgen diese kriegerischen Handlungen haben.
Es sind Mappen ausgelegt, in verschiedenen Sprachen und mit Fotos bestückt erzählen diese das Leid der Menschen, während die Nachkommen der hibakusha, die diese Geschichtsstunden für Touristen und Besucher ehrenamtlich abhalten, ihre ganz persönlichen Geschichten erzählen.
Viele Besucher sind besorgt, dass Hiroshima noch heute verstrahlt sein könnte und auch in dieser kleinen Menschenansammlung kommt immer wieder diese Frage auf, worauf es aber eine klare Antwort gibt – nein.
Denn die Atombombe, die über Hiroshima abgeworfen wurde, enthielt kurzlebige radioaktive Isotope, die heute keinerlei Gefahr mehr darstellen.
Nichtsdestotrotz waren die Folgen der Atombombe verheerend und eine der wohl einprägsamsten Geschichten für mich, ist die Geschichte des Kinder-Friedensmonument.
Falte 1.000 Kraniche und du hast einen Wunsch frei
Wie bereits erwähnt, werden Sie überall in Hiroshima, nicht nur an Schreinen und Tempeln, die säuberlich gefalteten und meist als Ketten aufgereihten Origami-Kraniche finden, deren Geschichte in Hiroshima eng mit dem Kinder-Friedensmonument verbunden ist.
Dieses wurde 1958, mit Hilfe von 3.200 japanischen Schulen und mit Spenden aus neun Ländern, errichtet und ist Sadako Sasaki gewidmet, einem kleinen Mädchen, das zu den Überlebenden der Atombombe gehörte. Sie verstarb jedoch an den Spätfolgen. Rund zehn Jahre nach dem Atombombenangriff auf Hiroshima, wurde bei Sadako Leukämie diagnostiziert, woraufhin sie begann Origami-Kraniche zu falten.
Denn eine alte japanische Legende besagt, dass die Götter demjenigen, der 1.000 Kraniche faltet, einen Wunsch erfüllen würde – der Wunsch nach Heilung in Sadakos Fall. Bis zu ihrem Tod soll sie rund 1.300 Origami-Kraniche fertiggestellt haben.
Und noch heute schicken Kinder weltweit ihre Origami-Kraniche nach Hiroshima, wo sie in Schaukästen rund um das Kinder-Friedensmonument ausgestellt werden und als Symbol einer Friedensbewegung und des Widerstandes gegen den Atomkrieg gelten.
Auf der Spitze des 9 Meter hohen Monuments befindet sich die Statue eines kleinen Mädchens, das einen Kranich in die Höhe hält, während auf der Steintafel unter dem Monument die Worte: “This is our cry. This is our prayer. For building peace in this world.” eingraviert sind.
Eine ehrfürchtige Stille hat sich unter den Besuchern ausgebreitet, während wir an den Schaukästen vorbeilaufen und uns die vielen kleinen und großen Kunstwerke anschauen. Es sind wahre Gemälde, die die Kinder mit den Kranichen dargestellt haben, die manchmal auch die Schriftzeichen für Frieden und Verbundenheit zeigen.
Einprägsame Momente in Hiroshima
Noch immer in Gedanken versunken trete ich meinen Weg zurück zum Bahnhof an.
Meine Gedanken kreisen um die Geschichte der kleinen Sadako, während ich mir vornehme zu Hause mein Origami-Papier heraus zu holen, um selber auch einen kleinen Beitrag zu leisten, um an die Opfer der Atombombenabwürfe zu gedenken.
Rund um den JR Bahnhof Hiroshima holt mich das geschäftige Treiben wieder ein und ich suche mir ein kleines Okonomiyaki-Lokal in der Nähe des Bahnhofes, um mich nochmal zu stärken, bevor ich meine Heimreise antrete.
Ich frage den Küchenchef, ob er mir ein vegetarisches Okonomiyaki im Hiroshima-Style zubereiten kann, was gar kein Problem darstellt und während er vor meinen Augen das Okonomiyaki zubereitet, reden wir ein wenig über meinen kleinen Ausflug.
„Ich habe eine Tochter, sie ist im selben Alter wie Sadako es damals war, als sie erkrankte. Jeden Abend falten wir Kraniche zusammen.“, erzählt er und zaubert mir so unweigerlich ein Lächeln auf die Lippen.