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Nur etwa eine Stunde südlich von Tokio entfernt, fühlt sich Kamakura wie eine andere Welt an. Die Küstenstadt, eingebettet zwischen bewaldeten Hügeln und dem Meer, strahlt eine entspannte Atmosphäre aus, die sofort spürbar wird, wenn man den Bahnhof verlässt. Einst war Kamakura Sitz des Kamakura-Shogunats und zu dieser Zeit die Militärhauptstadt des Landes. Heute erwacht Japans faszinierende mittelalterliche Geschichte in den unzähligen alten Schreinen und Tempeln zum Leben.

Zunächst einmal sind ikonische Orte wie der Tsurugaoka-Hachimangu-Schrein und der Große Buddha von Kamakura eine gute Gelegenheit, die kulturelle Tiefe einer Stadt zu erkunden, die seit Jahrhunderten besteht und heute sowohl für internationale Besucher als auch für Bewohner des Großraum Tokios zu einem der beliebtesten Reiseziele in der Region Kanto gehört. Kamakura ist ein Paradies für Strandgänger, Wanderfreunde oder Geschichtsfreaks und war schon immer eine meiner Lieblingsdestinationen für einen kurzen Zugausflug. Lest weiter und versteht, warum dem so ist.

Kamakura und die Geburt des Shogunats

Kamakuras Bedeutung in der japanischen Geschichte ist unbestreitbar. Im Jahr 1185 errichtete der mächtige Minamoto no Yoritomo hier sein Bakufu beziehungsweise seine Militärregierung, und markierte damit den Beginn des Kamakura-Shogunats. Diese Zeit markierte einen grundlegenden Wandel in Japans politischer Landschaft, als die Macht vom kaiserlichen Hof in Kyoto auf die Kriegerklasse überging und damit den Grundstein für die jahrhundertelange Herrschaft der Samurai legte. Kamakura, eine natürliche Festung, die auf drei Seiten von bergen und auf der vierten Seite vom Meer geschützt wird, war eine strategische Wahl für das neue Hauptquartier des Minamoto-Clans und verwandelte die Stadt schnell in das politische und militärische Herz Japans.

Abbildung von Minamoto no Yoritomo
„Minato no Yoritomo – Sixty-odd Famous Generals of Japan“. Ukiyo-e von Utagawa Yoshitora, 1866.

Der Führungswechsel durch das Kamakura-Shogunat (1185-1333) war der Beginn einer neuen Ära, in der die Samurai-Kultur Wurzeln schlug und aufblühte. In dieser Zeit wurden wichtige Regierungsinstitutionen gegründet und Japans erstes Gesetzbuch (Goseibai Shikimoku) entwickelt, das Ordnung in ein vom Krieg zerrüttetes Land bringen sollte. Unter Yoritomos Führung entwickelte sich Kamakura zu einem geschäftigen städtischen Zentrum voller Tempel und Schreine, die sowohl die spirituelle Bedeutung der Stadt als auch die politische Macht des Shogunats widerspiegelten.

Auch nach dem endgültigen Fall des Shogunats im Jahr 1333 blieb Kamakuras Einfluss bestehen. Heute ist das historische Erbe der Stadt in ihren gut erhaltenen Tempeln, Schreinen und Kulturstätten spürbar, ein faszinierendes Beispiel der Welt des mittelalterlichen Japans und eine bleibende Erinnerung an eine Ära, in der Japans Kriegerklasse unangefochten herrschte.

Tsurugaoka-Hachimangu-Schrein: Das spirituelle Zentrum von Kamakura

Gegründet im Jahr 1063, wurde der Tsurugaoka-Hachimangu-Schrein 鶴岡八幡宮 später von Minamoto no Yoritomo erweitert. Er ist der wichtigste Shinto-Schrein in Kamakura und ein Symbol der Samurai-Wurzeln der Stadt. Der Schrein ist Hachiman, dem Kriegsgott und Beschützer des Minamoto-Clans, gewidmet und liegt im spirituellen und geografischen Herzen von Kamakura. Als Yoritomo das Kamakura-Shogunat gründete, positionierte er den Schrein nicht nur als religiöses Zentrum, sondern auch als Ausdruck der politischen Dominanz seines Clans.

Tsurugaoka-Hachimangu-Schrein in Kamakura

Der Schrein ist nur einen kurzen Fußweg vom Bahnhof Kamakura entfernt und ihr erreicht ihn, indem ihr durch die lebhafte und charmante Komachi Dori 小町通り geht, eine der wichtigsten Einkaufsstraßen in Kamakura. Auf dem Weg zum Schrein werdet ihr von einem langen, breiten Weg begrüßt, dem Dankazura, der sich von der Wakamiya-Oji-Avenue, die direkt zur Küste der Stadt führt, bis zum Schrein selbst erstreckt. Gesäumt von Kirschbäumen ist der Weg im Frühling besonders schön, wenn die farbenfrohen Blüten ihn säumen.

Das Gelände des Schreins ist sowohl reich an historischer Bedeutung als auch an natürlicher Schönheit. Nachdem ihr die Steintreppe zum Hongu hinaufgestiegen seid, könnt ihr den Panoramablick auf Kamakura und die umliegende Landschaft genießen. Unten tragen die beiden Teiche auf beiden Seiten des Schreins eine starke Symbolik: Ein Teich repräsentiert den Minamoto-Clan mit drei Inseln, da die Zahl drei als Glücksbringer gilt, während der andere Teich mit vier Inseln ihre besiegten Rivalen, den Taira-Clan, symbolisiert, da die Zahl vier oft mit dem Tod in Verbindung gebracht wird.

Neben der Haupthalle beherbergt der Tsurugaoka-Hachimangu kleinere Schreine, wie den Maruyama-Inari-Schrein, der der Gottheit des Wohlstands gewidmet ist. Auch der Shirahata-Schrein ist auf dem Gelände zu finden, der den Geistern von Minamoto no Yoritomo und seinem Bruder Yoshitsune gewidmet ist. Verpasst nicht diese ruhigen Ecken des sonst so geschäftigen Ortes.

Das ganze Jahr über ist der Tsurugaoka-Hachimangu ein aktives Kulturzentrum, in dem verschiedene Feste und traditionelle Zeremonien stattfinden. Ein ganz besonderer Höhepunkt ist das Yabusame-Fest, bei dem Bogenschützen zu Pferd auf Ziele schießen, während sie den langen Weg des Schreins entlang galoppieren. Dieses Fest, dessen Wurzeln im alten Samurai-Training liegen, zieht Besucher aus ganz Japan an und ist ein sehr interessantes Überbleibsel der Kriegerkultur, die Kamakura prägte.

Der Große Buddha von Kamakura: Ein ikonisches Meisterwerk

Eines der bekanntesten Symbole Japans, der Große Buddha von Kamakura oder auch Kamakura Daibutsu 鎌倉大仏, ist über 13 Meter hoch und blickt friedlich über das Gelände des Kotokuin-Tempels 高徳院. Diese kolossale Bronzestatute des Amida-Buddha wurde ursprünglich im Jahr 1252 gegossen und spiegelt den weit verbreiteten Einfluss des Reinen-Land-Buddhismus wider, der während der Kamakura-Zeit sehr beliebt war.

Kamakura Daibutsu

Insbesondere Amida-Buddha wurde zu einer zentralen Figur im religiösen Leben Japans und symbolisierte Erlösung und das Versprechen der Wiedergeburt im westlichen reinen Land, einem himmlischen Paradies, das man nur durch Glauben erreichen kann. Obwohl die Statue einst in einer großen Tempelhalle stand, wurde das Bauwerk mehrmals durch Naturkatastrophen wie Taifune und Erdbeben zerstört, sodass der Buddha schließlich den Elementen ausgesetzt war. Tempelpriester mögen anderer Meinung sein, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass das Bild dieser Statue des Amida-Buddha vor der Kulisse von Bergen und Himmel viel besser aussieht.

Trotz ihres verwitterten Aussehens ist die Statue dank mehrerer Restaurationen im Laufe der Jahrhunderte gut erhalten geblieben. Was den Kamakura Daibutsu besonders macht, ist die Möglichkeit, das Innere der Statue zu erkunden – eine seltene Besonderheit, die es Besuchern ermöglich, die Handwerkskunst aus nächster Nähe zu bewundern. Beim Betreten der hohlen Struktur werden faszinierende Details ihrer Konstruktion offenbart, darunter die Verwendung separater Bronzeplatten und raffinierter Verstärkungen, die dazu beigetragen haben, dass sie jahrhundertelanger Abnutzung standhält.

Weitere Attraktionen in der Nähe

Auch wenn der Tsurugaoka-Hachimangu und der Große Buddha die Stars von Kamakura sind, gibt es noch viele weitere Attraktionen, die ihr in eure Reiseroute aufnehmen solltet. Der Hasedera (長谷寺) ist ein beeindruckender buddhistischer Tempel, der nur einen kurzen Spaziergang vom Großen Buddha entfernt liegt und für seine wunderschönen Gärten und die elfköpfige Kannon-Statute bekannt ist. Auf der Nordseite von Kamakura gibt es auch mehrere interessante Orte, wie Engakuji (円覚寺), einen der fünf großen Zen-Tempel von Kamakura, der inmitten einer üppigen Umgebung mit atemberaubender Aussicht liegt. Insbesondere im Herbst, wenn die Blätter leuchtende Rot- und Goldtöne annehmen, lohnt sich ein Besuch.

Enoden-Linie in Kamakura

Für diejenigen, die mehr Zeit haben, lohnt es sich auch, die Küstengebiete von Kamakura zu erkunden. Ein Besuch am Yuigahama-Strand ist ein schöner Kontrast zu den historischen Stätten der Stadt und eignet sich perfekt für einen Spaziergang am Meer. Und wenn ihr mit der Enoden-Linie fahrt, ist Enoshima weniger als 30 Minuten entfernt. Für Wanderfreunde bietet der Daibutsu-Wanderweg malerische Pfade durch die umliegenden Hügel mit Panoramablick auf Kamakura und darüber hinaus.

Anfahrt nach Kamakura und praktische Tipps

Der gängigste Anfahrtsweg, um von Tokio nach Kamakura zu gelangen, ist mit dem Zug. Es gibt mehrere Möglichkeiten: Die JR-Yokosuka-Linie braucht etwa eine Stunde vom Bahnhof Tokio direkt zum Bahnhof Kamakura und ist damit die schnellste und direkteste Verbindung. Eine weitere Option ist die Shonan-Shinjuku-Linie, die von Shinjuku abfährt und ebenfalls etwa eine Stunde braucht.

Bahnhof Kamakura

Sobald ihr in Kamakura angekommen seid, könnt ihr die meisten wichtigen Sehenswürdigkeiten bequem zu Fuß erreichen, insbesondere im Stadtzentrum. Um den Großen Buddha oder andere wichtige Orte schneller zu erreichen, sind lokale Busse und die Enoden-Linie praktische Optionen.

Um den Menschenmassen zu entgehen, solltet ihr Kamakura an Wochentagen oder frühmorgens besuchen, insbesondere in der Hochsaison wie im Frühling oder Herbst. Da Kamakura für seine vielen Wanderwege bekannt ist, sind bequeme Schuhe und wettergerechte Kleidung sehr zu empfehlen, wenn ihr die Stadt auch abseits der Hauptstraßen erkunden möchtet.

Kamakura ist einer dieser Orte, die sich nie wie ein einfacher Tagesausflug anfühlen. Wohin man auch schaut, ist die Geschichte allgegenwärtig. Und so zieht es einen in seine Vergangenheit und erinnert einen gleichzeitig daran, dass sein Charme auch heute noch sehr lebendig ist. Und wenn ihr genug von Tempeln haben solltet, dann bietet die unterhaltsame Strandatmosphäre genug Abwechslung, sodass sich jeder Besuch lohnt. Nach unzähligen Ausflügen meinerseits, gehört Kamakura immer noch zu einem meiner Lieblingsorte und ich hoffe, dass er euch auf die gleiche Weise fesseln wird.

Übersetzung von Yvonne Tanaka.

Toshiko Sakurai

Toshiko Sakurai

Disparo (¡con mi cámara!), luego existo. Pinto con luz y junto letras como buenamente puedo. Llegué a Tokio desde Barcelona en otoño de 2017 y desde entonces me dedico a capturar rincones de la ciudad a bordo de mi bicicleta. Cuando no llevo la cámara encima, acostumbro desafiar la ortodoxia culinaria mezclando estilos de todos los lugares donde he vivido.