Eine traditionelle japanische Kunst, die Verkostung von grünem Tee, Meditation, Erwachen; so viele Begriffe werden verwendet, um die japanische Teezeremoie oder Chadō (茶道, dt. „Teeweg“ oder „Weg des Tees“) zu definieren. Die Essenz der Teezeremonie kann jedoch nur durch die eigene Erfahrung verstanden werden. Und meinerseits hat es mir das Üben der Teezeremonie in Tokio unter authentischen Bedingungen ermöglicht, seine wahre Natur zu erfassen und zu verstehen.
Wenn ihr euren Urlaub in Tokio verbringt, lasst euch nicht täuschen: es kann verlockend klingen, sich für eine kurze 30-minütige Einführung in die Teezeremonie zu entscheiden, die von vielen touristischen Einrichtungen angeboten wird. Leider sind diese Erfahrungen oft bedeutungslos, da keine Erklärung gegeben wird und ihr die Zeremonie möglicherweise enttäuscht verlassen und euch fragen werdet, warum der Teezeremonie eine solche Bedeutung beigemessen wird.
An der zertifizierten Shizu-Kokoro Schule in Asakusa hatte ich die Gelegenheit, an einem 90-minütigen Workshop teilzunehmen, der sich ideal für eine vollständige Einführung in den Chadō eignete.
Eine zertifizierte Schule in authentischer Umgebung
Die Schule befindet sich im touristischen Asakusa in Tokio, jedoch abseits des Touristenrummels. Wenn ihr den Bahnhof Tawaramachi verlasst, überquert ihr einfach die beeindruckenden Straßen, bis ihr euch einem traditionellem japanischem Haus nähert, in dem sich das Shizu-Kokoro befindet.
Sobald ihr eintretet, werdet ihr von der strahlenden Mika, oder genauer genommen Soka, der Name der Leiterin der Teezeremonie, gekleidet in einem Kimono, begrüßt. Bevor ihr euch an einem großen Holztisch niederlassen werdet, werdet ihr durch einen kleinen japanischen Innengarten geführt.
Shizu-Kokoro ist eine zertifizierte Schule von Kyoto Urasenke, eine der größten japanischen Teezeremonieschulen der Welt. Als Schule, die sich sowohl für Anfänger als auch für Fortgeschrittene durch die Unterweisung in Teezeremonien auszeichnet, beginnt der Workshop mit einer Erklärung der Grundlagen des Chadō, während ihr eine Tasse Kirschblütentee trinken könnt.
Über 20 Jahre Erfahrung in der Teezeremonie
Leichtigkeit, Intensität, Schönheit und Weisheit sind die Begriffe, die mir einfallen, um mein Treffen mit Mika zu beschreiben. Und das aus gutem Grund, denn Mika verfügt über mehr als zwanzig Jahre Erfahrung in Chadō und hat eine Zertifizierung als Lehrmeisterin 1. Ranges erhalten.
Nach mehreren Jahren harter Arbeit in der Filmproduktionsbranche in Los Angeles, entdeckte Mika die beruhigenden Vorteile des „Weg des Tees“ von Frau Sosei Matsumoto, einer der anerkanntesten und einflussreichsten Teemeisterinnen in den USA.
Mika ist nicht nur Expertin für die Teezeremonie, sondern spricht auch fließend Englisch und weiß, wie man sich an Gäste aus der ganzen Welt anpasst, die in Tokio auf der Suche nach einem kulturellen Erlebnis sind.
Die Elemente einer richtigen Teezeremonie
Sobald ihr nun über die theoretischen Grundlagen Bescheid wisst, bringt euch Mika nach oben in eine traditionelle Teestube mit Tatami. Sie wird euch durch jeden Schritt der Teezeremonie führen und euch die Erklärungen und historischen Referenzen geben, die für euer Verständnis notwendig sind.
Das Tokonoma
Zunächst zeigt sie euch das Tokonoma, eine kleine Nische mit erhöhtem Boden, in der sich drei Elemente befinden: eine Kalligraphie (die an ein Gedicht, ein Sprichwort oder ein Wort erinnert, das die Absicht der Zeremonie zum Ausdruck bringt), ein saisonales florales Gesteck und Weihrauch, um die Umgebung zu reinigen.
Die Wahl der Utensilien
Anschließend werden euch die für die Zeremonie benötigten Utensilien und deren Anordnung gezeigt. Die Auswahl der Utensilien ist in der Tat wichtig und sinnvoll.
Zum Beispiel ist der während des Workshops verwendete Wasserkocher einzigartig und seine Form erinnerte an den Berg Fuji, der eine starke Symbolfunktion in Japan besitzt. Der erste und wichtigste Tee, Koicha (濃茶, „starker Tee“ oder „dickflüssiger Tee“), sollte in einer einfachen handgemachten Schale serviert werden. Während der zweite Tee, Usucha (薄茶, „leichter Tee“ oder schaumig), in einer transparenten Schale serviert werden kann. Beachtet, dass das Servieren von Usucha-Tee nicht unbedingt Teil der Zeremonie ist, sondern hauptsächlich eine Anpassung, damit mehr Menschen den Tee genießen können. Der Geschmack des Koicha kann überraschend bitter sein, während der Usucha schmackhafter ist.
Die Anordnung der Utensilien
Die Anordnung der Utensilien sowie die traditionellen japanischen Süßspeisen, die während der Zeremonie serviert werden, ändern sich je nach Jahreszeit.
Im Sommer befindet sich der Wasserkocher in einer von den Gästen entfernten Ecke des Zimmers und Mika stellt stattdessen einen großen, offenen Kaltwasserbehälter auf, um den Raum optisch zu erfrischen. Wie sie betont, muss man sich vorstellen, dass es damals keine Klimaanlagen gab und alle Mittel, um den Raum kühler erscheinen zu lassen, geschätzt wurden!
So viele Details sind Teil der vielen Lehren des, von der Zen-Philosophie inspirierten, Chadōs: Schönheit liegt in den Details der alltäglichen Gegenstände. Die Teilnahme an einer solchen Zeremonie entwickelt zweifellos das eigene Gefühl für die Beobachtung.
Die Teezeremonie in Tokio: Ein kostbarer Moment zum Entspannen
Schließlich beginnt die Zubereitung und das Servieren des Tees. Wir beobachteten, wie Mika eine sehr genaue Abfolge langsamer und akribischer Bewegungen ausführte. Jede Geste zählte und hatte eine genaue Bedeutung. Während sie den Tee zubereitete, bewegte sich Mika wie eine Tänzerin mit einer Leichtigkeit und Eleganz, die nur selten zu finden ist.
Zuerst fasziniert von diesen ritualisierten Gesten, fragt man sich mit der Zeit jedoch. „Warum führt sie mit dem Bambus-Schneebesen dreimal hintereinander genau die selbe Geste aus? Warum wiederholt sie eine Folge des Faltens und Entfaltens der Fukusa, des roten Seidengewebes, mit dem die Teeinstrumente gereinigt wurden? Was bedeutet das?“. Dann, wie hypnotisiert, schätzt man einfach die Anmut des Augenblicks.
Mika informierte uns über die Bedeutung dieser Gesten, die alle ihre Gewichtsamkeit aus dem Buddhismus ableiten und in jeder Phase der Vorbereitung ihre Wichtigkeit besitzen.
Zum Abschluss der Zeremonie erklärte unsere Gastgeberin, warum sie die Schale gewählt hatte, in der unser Tee serviert wurde und die wenigen Regeln, wie ihr den Tee als Teilnehmer annehmen könnt. Und dann seid ihr an der Reihe, Tee für eure Gäste zuzubereiten!
Die Vorteile der Teezeremonie: Aktive Meditation
Nach diesem Workshop fühlte ich mich so im Einklang mit mir selbst, dass ich mehr über die Vorteile der Teezeremonie erfahren wollte. Zum Glück studiert Mika Neurowissenschaften und Psychologie. Sie erklärte mir, dass ihr aktiv meditiert, indem ihr den Ort und die Details der Utensilien beobachtet, die akribischen Gesten des Teemeisters oder der –meisterin und sie dann selber ausführt.
Wir konzentrieren uns so auf die Handlungen, dass die linke Gehirnhälfte, die mit logischem und rationalem Denken verbunden ist, aktiv ist, während die rechte Gehirnhälfte (intuitiv und emotional) einen Moment der Ruhe findet.
Andererseits wird der präfrontale Kortex (verbunden mit Lernen) durch diese mysteriöse Kunst stimuliert, und es fühlt sich wie eine Belohnung an, sie selber zu erlernen oder Fortschritte zu machen.
Nützliche Informationen
Kurz gesagt, die japanische Teezeremonie bietet einen schönen Einblick in die traditionelle japanische Kultur und ihre Verfeinerung, während sie euch zeitgleich ermöglicht, sich zumindest für eine gewisse Zeit, die ihr in der Teestube verbringt, vom Alltagsstress zu lösen.
Die Zeeremonie ist aber auch eine Begegnung mit einem aufstrebendem Meister bzw. Meisterin, der oder die von Weisheit durchdrungen ist. Wenn ihr Tokio besucht, empfehle ich euch eine Teezeremonie in der Shizu-Kokoro Schule zu erleben.
Adresse | 1-9-8 Nishi Asakusa, Taito-ku, 111-0035 Tokio, Japan |
Öffnungszeiten | 10 Uhr bis 18 Uhr |
Preis | 4.180 Yen für einen 90-minütigen Workshop |
Übersetzung von Yvonne.