Wenn ihr den Studio-Ghibli-Anime „Prinzessin Mononoke“ gesehen und euch gefragt habt, woher die Inspiration für diese natürliche Umgebung der Eröffnungsszene – in der Ashitaka von einem Dämon angegriffen wird – stammt, lautet die Antwort: Shirakami-Sanchi (白神山地). Diese riesige Weite von Bergen und Wäldern in den Präfekturen Aomori und Akita beheimatet ein vielfältiges Ökosystem aus Pflanzen, Bäumen und Wildtieren, das in den letzten 8.000 Jahren von der Menschheit unberührt geblieben ist.
Der größte Buchen-Urwald Ostasiens und das UNESCO-Weltkulturerbe
Das Herz von Shirakami-Sanchi ist ein üppiger Buchenwald, der größte in Ostasien. Kazuo Oga, der als Animator für „Prinzessin Mononoke“ arbeitete, unternahm 1995 eine Forschungsreise nach Shirakami-Sanchi und schrieb folgendes: „Es gibt zahlreiche Fotobücher von Buchenwäldern, aber ich kenne weder die Füße der Buchen noch weiß ich, welche Form die Wurzeln haben. Ebenso wenig das Gras und die abgefallenen Blätter, die den Boden bedecken, und die Unterschiede zwischen den einzelnen Buchen. Die Rinde, die Zusammensetzung der Bäume, das Sonnenlicht, welches durch die Bäume fällt… Gleichzeitig sehe ich die Landschaft dreidimensional, sehe sie mit meinen Augen, spüre die Luft und nehme viele bemerkenswerte Elemente wahr.“
Und während man durch die Weiten des Waldes wandert, ist es leicht zu verstehen, was er damit meinte. Das Gefühl, physisch im Wald zu sein, umgeben von Gerüchen, Geräuschen und Sehenswürdigkeiten, lässt sich beim Betrachten eines Fotos nur erahnen. Am besten lässt es sich erst per Kajak oder beim Trekking erkunden. Was schnell klar wird ist die Größe der Region. Sie ist riesig. Es lohnt sich also, ein wenig organisiert zu sein und einen zwei- oder dreitätigen Zeitplan zu entwickeln, um die Umgebung wirklich schätzen zu lernen. Genau das haben wir getan.
Erfahrt mehr über die Umweltgeschichte im Shirakami-Sanchi Visitor Center
Um die ökologische Bedeutung der Region Shirakami-Sanchi besser zu verstehen, würde ich vorschlagen, das Shirakami-Sanchi Visitor Center für euren ersten Besuch zu wählen. Dieses Besucherzentrum im Dorf Nishimeya (西目屋村, Nishimeya-mura), nördlich von Shirakami-Sanchi, ist ein dynamischer, moderner Raum, der eine leicht verständliche, praktische Einführung in dieses Weltkulturerbe bietet. Das Zentrum konzentriert sich auf die Entstehung der Berge, warum hier die Buchen wuchsen und die Tierwelt, die den Wald bewohnt. Viele interaktive Exponate bieten Kindern Unterhaltung an und ihr könnt euch einige Dinge merken, die auch ihr ihnen beibringen könnt, während ihr durch diese herrliche Region wandert.
Ein interessanter Punkt, den das Zentrum anführt – der Grund, warum das Gebiet immer noch ein unberührter Buchenwald mit seinem bis heute erhaltenen vielfältigen Ökosystem ist – liegt darin, dass die Buche in Japan nicht als wertvolles Holz galt. Sie ist zu weich und enthält zu viel Feuchtigkeit, um für den Bau verwendet zu werden, und andere Baumarten wurden als Brennstoff zum Kochen vorgezogen. Das Kanji für Buche (橅) ist also eine Kombination aus „Baum“ (木) und „Nichts“ (無) – ein Baum, der für nichts verwendet werden kann.
Unternehmt eine traditionelle Matagi-Jäger- und Sammlertour
Eine der besten Wanderungen in Shirakami-Sanchi ist das Wandern mit einem Matagi. Der Begriff Matagi wurde vor etwa 500 Jahren gebräuchlich, um die Jäger und Sammler zu beschreiben, die in Harmonie mit dem Wald lebten. Diese Tradition ist immer noch lebendig und es ist möglich, eine Tour mit jemandem zu unternehmen, der euch in seinen Lebensstil, seine Fähigkeiten, seine Kultur und seinen Glauben einführt. Ihr werdet euch eins mit der Natur fühlen, während ihr einen abgelegenen Bach hinaufgeht und wilde Vegetation und Pilze sammelt, um sie zum Abendessen in euren Nabe (Eintopf) zu geben.
Rafting in Shirakami-Sanchi
Eine andere Art, eine der schönsten Naturlandschaften Japans zu erleben, ist auf einem Floß auf dem Iwaki-Fluss. Die Vielfalt der Landschaft wird sofort sichtbar, wenn ihr den Fluss hinuntergleitet, mit Blicken auf Vogelnester und Felswände, die ihr auf Wanderwegen oder von der Straße aus nicht sehen könnt.
Wir entschieden uns für die fünf Kilometer lange Panoramaroute, auf der kurze Wildwasserstromschnellen verteilt sind. An manchen Stellen wurden wir ermutigt, aus dem Floß auszusteigen und uns auf dem Rücken treiben zu lassen, während wir in den Himmel und die Klippen starrten – eine wirklich unbeschwerte Erfahrung. Kidachi-san, der Rafting-Touren bei A‚GROVE Canoe & Rafting durchführt, fährt seit seiner Jugend Rafting. Wenn ihr also auf der Suche nach etwas nervenaufreibendem seid, kann er euch auf den Wildwasser-Kajakkurs weiter unten am Fluss mitnehmen. Auch wenn ihr es vorzieht, nicht nass zu werden, macht euch keine Sorgen, denn es gibt Trockenanzüge, die ihr über der Kleidung tragen könnt, und die euch warum und trocken halten.
Eine Fahrt mit dem malerischen Resort Shirakami-Zug
Das Resort Shirakami ist eine Reihe von malerischen Zügen, die entlang der Küste des Japanischen Meeres in Shirakami-Sanchi fahren. Die gesamte Reise von Aomori nach Akita dauert etwa 5 ½ Stunden. Wir stiegen jedoch in Fukaura (深浦町) aus, um am nächsten Tag zum berühmten kobaltblauen Aoike-Teich zu fahren, was unsere Reisezeit effektiv auf etwa 2 ½ Stunden verkürzte. Der Buna ist der stimmungsvollste Zug dieser Serie, mit modernen, komfortablen, geräumigen Sitzgelegenheiten und einer farbenfrohen Buchenästhetik. Ich verbrachte die zweite Hälfte der Fahr damit, auf einem der Aussichtssitze hinter dem Fahrer zu sitzen und auf das Sonnenlicht zu schauen, das durch die Wolken über dem Ozean strömte. Einfach fantastisch!
Es gibt ebenfalls einen Wagen mit Kabinensitzen für größere Gruppen und einen Schalter, an dem ihr Snacks, Getränke und Souvenirs kaufen könnt. Der Zug hält für kurze Zeit am Bahnhof Senjojiki, damit die Passagiere aussteigen und entlang des freiliegenden, welligen Felsgesteins der Küste wandern können, welches 1792 durch ein Erdbeben geformt wurde.
Waldtherapie und der kobaltblaue Aoike-Teich bei den Zwölf Seen von Juniko
Einer der bekanntesten Touristenorte von Shirakami-Sanchi ist der kobaltblaue Aoike-Teich (青池). Doch wie bei vielen Instagram-freundlichen Attraktionen in Japan ist die Erfahrung, dorthin zu gelangen, genauso unglaublich, wenn nicht sogar noch besser als das Ziel selbst. Eine Tour ist eine großartige Möglichkeit diese Gegend zu erkunden. Während der Waldtherapie-Tour hilft euch euer Guide (wir wurden von der fantastischen Yonaiyama-san begleitet) dabei, langsamer zu werden und euch auf die Elemente zu konzentrieren, an denen ihr leicht vorbeigehen würdet, ohne es überhaupt zu bemerken. Nach Atemübungen und einer entspannenden Dehnung, gab uns Yonaiyama-san einen kurzen Überblick über die Umgebung. Obwohl sie die „Zwölf Seen von Juniko“ (Juniko Twelve Lakes) genannt wird, gibt es insgesamt 33 Gewässer, die sich als Resultat eines Vulkanausbruchs gebildet haben. Dabei wurde die Strömung eines Flusses unterbrochen, wodurch die Teiche und Seen geschaffen wurden, die wir heute sehen können.
Der Hauptunterschied zwischen einer Waldtherapie und einer regulären Tour besteht darin, dass es bei der Waldtherapie darum geht, mit allem um sich herum in Kontakt zu treten und dabei von den natürlichen Geräuschen des Waldes umgeben zu sein, anstatt die ganze Wanderung mit ausführlichen Erklärungen zu verbringen. So etwas hatte ich wirklich noch nie bei einer geführten Tour erlebt: zu Fuß zum Blätterdach hinaufschauen und sehen, wie sich die Formen der Blätter je nach Baumart unterscheiden, ein paar Minuten innehalten, die Augen schließen und den Geräuschen des Waldes lauschen, oder ihr konzentriert euch darauf, wie sich die Größe der Blätter an einem einzelnen Ast zueinander verhält. Es war eine neue Art einen Wald zu erleben und Yonaiyama-san gab ihm zusätzliche Tiefe, indem sie den Spaziergang hier und da mit kleinen Details würzte, um der Reise einen Kontext zu verleihen.
Yonaiyama-san ist eine erfahrene Wanderin, seit drei Jahren Waldtherapieführerin und kennt den Wald und seine Veränderungen im Laufe der Jahreszeiten wie ihre eigene Westentasche. Dadurch konnte sie uns an Orte führen, die nur wenige kennen und uns Einblicke geben, die nicht in Broschüren oder auf Schildern geschrieben sind. Wir konnten den Aoike-Teich aus einem anderen Blickwinkel außerhalb der hektischen Umgebung der Aussichtsplattform betrachten und sie ermutigte uns, die strukturellen Unterschiede, die verschiedenen Moos- und Blätterarten innewohnen, zu berühren und zu fühlen. Dadurch konnten wir nicht nur einen schönen Waldspaziergang machen, sondern hatten auch das Gefühl, zumindest einen kleinen Teil der unglaublichen Vielfalt, die in diesem unberührten Waldmikrokosmos existiert, begreifen zu können.
Wie man nach Shirakami-Sanchi und Fukaura gelangt
Das Dorfgebiet von Nishimeya in Shirakami-Sanchi, ist mit dem Zug, Bus oder Auto erreichbar. Wenn ihr mit dem Shinkansen von Tokio aus anreist, steigt ihr am Bahnhof Shin-Aomori in den lokalen Zug der Linie Ou um und steigt am Bahnhof Hirosaki aus. Ihr könnt dann einen Bus zum Dorf Nishimeya nehmen, die Fahrt dauert in etwa 50 Minuten. Wenn ihr mit dem Auto anreist, ist Nishimeya eine malerische eineinhalbstündige Fahrt von der Stadt Aomori oder eine dreißigminütige Fahrt von der Stadt Hirosaki entfernt.
Das Gebiet von Fukaura ist mit dem Zug und mit dem Auto erreichbar. Nehmt den Resort Shirakami oder den regulären Zug der Gono Linie von Hirosaki oder von der Station Higashi-Noshiro. Um zum Aoike-Teich zu gelangen, nehmt ihr die Gono Linie zum Bahnhof Juniko und nehmt dann den Bus zum Bahnhof Okujuniko. Die Busse fahren normalerweise stündlich, aber seid vorsichtig, denn der letzte Bus zurück zum Bahnhof fährt, je nach Jahreszeit, bereits um 16.40 Uhr.
Wie man Shirakami-Sanchi Touren bucht
Alle Shirakami-Sanchi Touren für Matagi-geführte Wanderungen, Rafting und Waldtherapien, können über die Shirakami-Kalender-Website (nur auf Japanisch) gebucht werden.
Shirakami-Sanchi erstreckt sich über die Regionen Aomori und Akita im Nordwesten Japans und enthält den ältesten unberührten Buchenwald in Ostasien – der seit 8.000 Jahren von der Menschheit im Wesentlichen unangetastet ist. Das Gebiet ist riesig, so dass es ideal ist, dieses vielfältige UNESCO-Weltnaturerbe zu erkunden, indem ihr verschiedene Möglichkeiten nutzt, um es zu erleben. Sei es mit dem Zug, einem Floß, beim Trekking oder mit dem Auto.
Gesponsert von der Regierung der Präfektur Aomori.
Übersetzung von Yvonne.