Seit Anfang November ist Japan in eine absolute weihnachtliche Atmosphäre eingetaucht: voller Lichter, Weihnachtsprodukte in den Geschäften und mit Weihnachtsliedern überall. Und trotz all dieser klassischen Weihnachtsbilder bin ich mir sicher, dass Japan euch noch immer überraschen wird.
Nachdem ich an dem Artikel „Was man zu Weihnachten in Japan machen kann“ gearbeitet habe, wollte ich noch ein wenig weiter gehen. So nutzte ich die Gelegenheit, um mit verschiedenen Japanern zu sprechen. Ich konnte dadurch ihr Konzept dieses Festes besser verstehen, vor allem aber, warum ich mein erstes Weihnachtsfest in Japan mit gemischten Gefühlen erlebte.
Ist Weihnachten ein beliebtes Fest in Japan?
Zweifellos ist dieses Fest in der japanischen Kultur wichtig und es gibt niemanden in Japan, der das Wort クリスマス (kurisumasu, was „Weihnachten“ bedeutet) nicht kennt. Jeder denkt an Weihnachten als eine Zeit des Glücks, der Erleuchtung und des Essens.
Aber wenn ihr fragt: „An welchem Tag ist Weihnachten?“, dann werdet ihr merken, dass etwas anders ist. Meine Antwort wäre, dass Weihnachten für mich am 24. abends beginnt und am 26. endet. Und vielleicht kann diese Antwort in anderen Ländern auch etwas anders ausfallen. Aber Japan geht noch einen Schritt weiter. Mehrere, die ich fragte, sagten mir, dass „Weihnachten beginnt, wenn Halloween endet“. Und Halloween endet am 31. Oktober!
Ich kam zu dem Entschluss, dass dieses Fest in Japan ein Zeitraum ist, der sich bis zum offiziellen Weihnachtstag erstreckt und nicht nur auf einen bestimmten Tag festgelegt ist. Von dem Moment an, in dem die Geschäfte ihre Schaufenster von Kürbissen auf Weihnachtsmänner umstellen, erlebt Japan bereits die Weihnachtszeit und „All I Want for Christmas“ von Mariah Carey ertönt überall.
Da Japan keine christliche Tradition besitzt, hat es Weihnachten auf seine ganz eigene Art und Weise integriert. Und zwar wird das ausgewählt, was den Japanern am besten gefällt und traditionelle Bedeutungen, die offensichtlich nicht in ihre Kultur oder traditionelle Religion passen, werden ignoriert. Warum die Geburt des Sohnes eines christlichen Gottes zelebrieren, wenn die vorherrschenden Religionen der Buddhismus und Shintoismus sind?
Neben der religiösen Bedeutung ist es offensichtlich, dass die Japaner diesen Feiertag als einen Tag zum Feiern von Glück und Freude verstehen, da viele von ihnen diese Idee aus den Produkten westlicher Länder geschaffen haben. Haltet also inne und denkt einen Moment nach: Sprechen Weihnachtsfilme nicht über die Kraft der Liebe und magische Beziehungen? Dort werdet ihr nur Glück, Lichter, Liebe und zahlreiche Paare sehen. Und wenn man Weihnachten in Japan erlebt, merkt man, dass das Land diese Klischees in sein Fest integriert hat.
Wie feiern Japaner Weihnachten in Japan?
- 24. Dezember
In jedem westlichen Land wird der Tag vor dem 25. als Heiligabend bezeichnet. Auch die Art, wie dieser Tag zelebriert wird, hängt von den jeweiligen persönlichen Traditionen ab, obwohl die Bedeutung ähnlich ist: Zeit mit der Familie verbringen.
In Japan sieht das ganz anders aus. Der 24. Dezember ist wie ein zweiter Valentinstag. Japaner denken, dass der 24. ein perfekter Tag ist, um ihn mit der Person zu verbringen, die man liebt, aufgrund der klassischen Bilder von Liebenden, die Hand in Hand in westlichen Weihnachtsfilmen zu sehen sind. Der erwartete Plan für diesen Tag sieht also vor, unter den Beleuchtungen spazieren zu gehen, Schlittschuh zu laufen, Geschenke auszutauschen und ein romantisches Abendessen zu genießen.
Diese Idee übt großen Druck auf japanische Singles aus, da sie sich gezwungen fühlen, an diesem Abend ein Date zu haben. Wenn sie Heiligabend dann aber doch alleine verbringen müssen, können sie sich sehr frustriert fühlen. Doch wenn euch eine japanische Person am 24. Dezember treffen möchte, ist dies eine indirekte Möglichkeit, ihre Liebe auszudrücken.
Wenn eine japanische Person eine Familie mit Kindern hat, neigt er oder sie dazu, insgesamt ein etwas traditionelleres Fest zu zelebrieren. Die Speisekarte dieses Abends besteht aus Hühnchen – insbesondere dem KFC-Weihnachtsmenü – und einem „Christmas Cake“ mit Erdbeeren, Sahne und Weihnachtsdekoration. Unglaublich, aber das ist das typische Weihnachtsmenü in Japan!
- 25. Dezember
Wir gehen im Kalender weiter und kommen am 25. Dezember an. In vielen Ländern ist es ein heiliger und festlicher Tag, der normalerweise mit der Familie gefeiert wird. Aber wie ihr euch vorstellen könnt, gibt es auch dieses Konzept nicht in Japan.
Nach all der Weihnachtsstimmung denkt man vielleicht, dass am 25. ein großes Weihnachtsfest stattfindet. Aber ganz im Gegenteil: es ist ein ganz normaler Tag. Die meisten Geschäfte, Ämter, öffentlichen Einrichtungen und Schulen sind geöffnet und bieten ihren üblichen Service an. Früher konnte der 25. ein Feiertag sein, da der Geburtstag von Kaiser Akihito am 23. Dezember war (und der Geburtstag des Kaisers ist ein Feiertag). Doch mit dem Wechsel des Kaisers, gilt der 25. nicht mehr als Feiertag.
Wie ihr seht, ist der 25. Dezember also nichts Besonderes. An diesem Tag endet die Weihnachtszeit, um die Neujahrszeit zu begrüßen.
- Gibt es Familienaktivitäten während Weihnachten?
Die Weihnachtserinnerungen der Japaner aus ihrer Kindheit überraschten mich, als ich von diesen erfuhr. Denn trotz der kulturellen Unterschiede, erhalten einige japanische Kinder immer noch Geschenke von ihren Eltern und einige glauben sogar an den Weihnachtsmann. Alles in allem glaube ich, dass es kein konkretes Muster gibt, wie man Weihnachten feiert, und es abhängig davon ist, wie die Eltern ihre Kinder erziehen. Dennoch ist die Weihnachtstradition, die der westlichen am ähnlichsten ist, dass japanische Kinder mit ihren Eltern ein schönes Abendessen genießen und Geschenke erhalten.
Wie feiern japanische Christen Weihnachten?
Was ich euch bisher erklärt habe, ist eine allgemeine Vorstellung davon, wie Japaner Weihnachten verbringen. Natürlich gibt es viele verschiedene Möglichkeiten, es zu genießen, besonders wenn ihr ein japanischer Christ seid.
Es gibt einen kleinen Prozentsatz von Japanern, die sich als Christen bezeichnen. Und ich habe mich schon immer gefragt, wie diese Weihnachten feiern. Denn es scheint, dass sie versuchen, Weihnachten an die japanische Kultur anzupassen. Kirchen in Japan bieten einen Weihnachtsgottesdienst an und jeder, der daran teilnehmen möchte, ist willkommen. Aber wie gesagt, die japanische Kultur und Weihnachten sind keine engen Freunde, daher kann es Leute geben, die aufgrund ihres Terminplans nicht teilnehmen können. Aus diesem Grund finden am Sonntag vor dem 25. auch Messen für alle Arbeitnehmer statt, die an dem eigentlichen Feiertag nicht teilnehmen können.
Und natürlich, ganz gleich, ob sie am 25. arbeiten oder nicht, genießen japanische Christen auch ein tolles Abendessen und tauschen Geschenke aus!
Was unternehmen Japaner während Weihnachten?
Während dieser Zeit, könnt ihr zahlreiche Aktivitäten unternehmen. Erfahrt mehr darüber in unserem Artikel, was ihr zu Weihnachten in Japan machen könnt.
Besucht Weihnachtsbeleuchtungen
Die Beleuchtungen bzw. Illuminationen zu genießen, ist eine der Lieblingsbeschäftigungen der Japaner während dieser Tage. Egal, ob ihr mit euren Freunden, eurem Partner oder euren Kindern unterwegs seid, der Besuch der beleuchteten Straßen gibt euch ein Gefühl von Wärme und Glück. In Großstädten könnt ihr alle Arten von Beleuchtungen sehen, wie zum Beispiel in Tokio. Es ist auch möglich, an entlegeneren Orten wie der Insel Enoshima wunderbare Beleuchtungen zu finden.
Besucht Freizeitparks
Zweifellos haben sich Japans Freizeitparks perfekt an ausländische Festlichkeiten angepasst. Diejenigen aus der Kanto-Region besuchen Disneyland oder DisneySea, um ihre Weihnachtsferien zu verbringen und diejenigen aus der Kansai-Region, können in die geografisch näher gelegenen Universal Studios Japan gehen.
Nach all diesen Überlegungen kann ich sagen, dass die Japaner Weihnachten so erleben, wie sie es gelernt haben. Und deshalb war es für mich ein großer Kulturschock, als ich zum ersten Mal erlebte, wie Weihnachten in Japan gefeiert wird. Außerdem hatte ich erwartet das vorzufinden, was Weihnachten auch in meinem Heimatland ausmacht, aber das tat ich nicht. Trotzdem habe ich eine wertvolle Lektion gelernt: Wir sollten die Unterschiede zwischen den Kulturen schätzen und akzeptieren. Wenn wir alle gleich wären, wäre es dann nicht sehr langweilig?
Übersetzung von Yvonne.