Wer sich mit dem Samurai Kodex Bushido und den Geschehnissen um den Boshin Krieg (1868-1869) auseinandergesetzt hat, dem wird der Name der geschichtsträchtigen Stadt Aizu Wakamatsu, im Zentrum der Präfektur Fukushima, bereits bekannt sein. Von den imperialen Streitkräften in die Flucht geschlagen, nahmen sich 19 junge Samurai der Widerstandsgruppe Byakko-tai 1968 ihr Leben in einem rituellen Gruppen-Selbstmord, als sie aus der Ferne glaubten, die Burg Tsuruga ihres Fürsten in Flammen stehend zu sehen. Wie sich später herausstellte, handelte es sich dabei um einen Irrtum. Die tragische und zugleich faszinierende Geschichte des Bergs Iimori zog uns in den Bann, diesen Ort zu besuchen.
Um sich auf den Weg der Samurai zu begeben, war es lediglich notwendig, einen Shinkansen Zug von Tokio nach Fukushima (der Stadt) zu nehmen und anschließend einen JR Lokalzug zur Aizu Wakamatsu Station. Nach etwa drei Stunden unkomplizierter Reise waren wir am Ziel angelangt.
Die Burg Tsuruga – auch bekannt als Burg Aizu Wakamatsu – war die erste Station auf unserer Reise und einfach per Loop Bus vom Bahnhof aus zu erreichen. Ein 20 Minuten Marsch hätte es auch getan. Die Burg selbst, anmutend in seiner Pracht und von Falken umkreist, ist heute ein Museum, umgeben von Parkanlagen und den historischen Rinkaku Teegärten. Dort kann selbstverständlich eine Tasse Tee im traditionellen Teeritual genossen werde.
Die Burg Aizu Wakamatsu wurde 1589 von namhaften Fürsten wie Date Masemune als Außenposten des Tokugawa Shogunats bezogen. Zuletzt leisteten die tapferen Aizu Samurai dort vergeblich Widerstand gegen die neu formierte imperiale Armee. Die Burg wurde dabei teilweise zerstört und befindet sich daher nicht im Orginalzustand. Vom obersten Stock des Gebäudes verfügt man über einen ausgezeichneten Ausblick auf Aizu Wakamatsu und den naheliegenden Berg Iimori. Direkt neben der Burg befinden sich sowohl das lokale Fukushima- als auch das Sake Museum.
Weitere 20 Minuten Busfahrt mit dem Loop Bus hat es gedauert, bis wir vor der Gedenkstätte des Berg Iimori angelangt waren. Obwohl ein Sessellift zur Verfügung stand, entschieden wir uns für den relativ unbeschwerten Aufstieg über die Treppe. Auf halbem Weg befand sich ein Museum, welches sich detailliert mit dem Schicksal der 19 Samurai befasst.
Auf dem Gipfel angelangt verspürten wir zwischen Wäldern und Grabsteinen eine drückende und zugleich mystische Atmosphäre. Der letzte Schnee zierte die Gräber die 19 jungen Männer. Ein Duft von Räucherstäbchen zog sich durch die Luft. Gedenksäulen und Steine des faschistischen Italiens und NS-Deutschlands sollten den Respekt zum Ausdruck bringen, welche diese fragwürdigen Regime für die bedingungslose Aufopferung der Samurai für ihren Fürsten hatten. Symbolisch steht der Ort für den traditionellen und zugleich fatalistischen Weg der Samurai, wie er im Hagakure und Bushido Kodex beschrieben ist. Zugleich markiert der Boshin Krieg, gemeinsam mit der Satsuma Rebellion (1877), den letzten Widerstand gegen die pro-westlichen und militärisch überlegenen imperialen Mächte vor der Verwestlichung und Industrialisierung Japans.
An der Stelle, wo sich einst die Samurai das Leben durch Seppuku nahmen, steht heute ein Friedhof mit einer ausgezeichneten Aussicht auf die Stadt und die Burg Aizu Wakamatsu.
Auf der nördlichen Seite des Berg Iimori findet sich die architektonisch einzigartige 1796 errichtete Sazaedo Pagode. Die Bauart der Pagode lässt sich wohl am besten mit einer DNA Doppelhelix vergleichen. Umgeben von kleineren Schreinen, Bächen und Wäldern ist die kleine Tempelanlage wahrhaftig ein Ort der spirituellen Ruhefindung.
Bei den Samurai daheim
Eine Busfahrt von nur 15 Minuten mit dem Loop Bus, brachten uns vom Iimori Berg zu unserer letzten Station. Die Aizu Bukeyashiki Samurai Residenz veranschaulicht den Lebensstil der einflussreichen Kriegerkaste während der Edo Periode (1603-1868) – von deren Erziehung, Diplomatie bis hin zu alltäglichen Abläufen. Auch hier handelt es sich um Nachbauten der 1868 zerstörten Wohnkomplexe.
Einen Fußmarsch von der Samurai Residenz entfernt kann der ebenso historische Oyakuen Kräutergarten oder ein Onsen in der naheliegenden Higashiyama Onsen Ortschaft besucht werden. Nach einem langen und kühlen Tag haben wir uns dafür entschieden, den Tag in einem Onsen Bad direkt neben dem reißenden Strom ausklingen zu lassen. Lediglich die Buszeiten sollten im Vornherein gecheckt werden, um nicht den letzten Bus zurück in Bahnhofsnähe zu verpassen.
Trotz der bedrückenden Geschichte rund um Aizu Wakamatsu, den Berg Iimori und die Schicksale der jungen Samurai ist die Kleinstadt heute ein malerischer Ort der Besinnlichkeit und Idylle, in der wir ein Stückchen mehr die Seele Japans begreifen konnten.