Gesponsert vom JETRO
Am 11. März 2011, erschütterte ein Erdbeben der Stärke 9,0 den Nordosten Japans, mit den Folgen, dass das Inselreich Japan einen Meter weiter nach Osten gedrängt und die Erde einmal um ihre eigene Achse geschüttelt wurde. Das Beben verursachte einen Tsunami mit bis zu 40 Meter hohen Wellen, die sich mit bis zu 10 Kilometern ins Landesinnere erstreckten. Boote, Bäume, Autos und Häuser schwebten wie Spielzeug. Nahe gelegene Städte wurden zu Seen. Das Kraftwerk Fukushima Daiichi von TEPCO erlitt einen Wasserschaden, der zu einer schwerwiegenden dreifachen Kernschmelze führte. Die Strahlung breitete sich überall in Fukushima aus. Japanischen Behörden zufolge wurden auf dem Höhepunkt der Katastrophe 470.000 Einwohner evakuiert. Insgesamt kamen 19.630 Menschen ums Leben und noch immer werden 2.569 Personen vermisst. Das Unvorstellbare wurde Wirklichkeit.
Acht Jahre später, mit einer kontinuierlichen Dekontaminierung der Region, ist die Strahlenbelastung, laut der Behörden, auf ein ähnliches Niveau wie in Städten wie in Paris, Berlin und New York gesunken. Monitore testen die Region ständig auf Strahlung, insbesondere lokale Produkte wie Gemüse, Fisch und Nutztiere werden überprüft.
Um uns selber ein Bild davon zu machen, wie sich die Dinge in der betroffenen Region entwickelt haben, haben wir uns auf die Reise in das von der Katastrophe betroffene Gebiet gemacht. Unter den Städten in Fukushima, haben wir Iwaki, Narahara und Hirono besucht.
Die Wiedergeburt des J-Village
Vor der Katastrophe am 11. März war das japanische J-Village Soccer Center in Hirono und Narahara eine landesweite Attraktion. Die Anlage wurde 1997 eröffnet und diente 450.000 Menschen pro Jahr. Auch weitere sportliche Aktivitäten fanden dort statt, wie zum Beispiel Football, Lacrosse, Leichtathletik und Tischtennis. Hier trainierten Profisportler, Eltern beobachteten, wie ihre Kinder Fußball spielten, während zeitgleich neue Kinder für die Sportarten begeistert wurden.
Nach dem Erdbeben in Ostjapan kam der Betrieb des J-Village zum Erliegen. Das Zentrum wurde geschlossen, da es als Stützpunkt für die Säuberungsaktion des Kraftwerks Fukushima verwendet werden sollte. Schließlich wurde die Anlage abgerissen, aber in Erwartung der Olympischen Spiele 2020 und künftiger Veranstaltungen wurde das J-Village wiedergeboren. Mit zusätzlichen Annehmlichkeiten und Unterkünften verfügt das Zentrum jetzt über 11,5 Plätze, ein Hallenfußballfeld, eine 400-Meter-Laufbahn, ein größeres Hotel, einen Trainingsraum, einen Hörsaal und eine Cafeteria.
Das J-Village wird voraussichtlich am 20. April wiedereröffnet und ist einer der Austragungsorte der Olympischen Spiele 2020 und der Paralympics 2020. Der Bürgermeister von Narahara, Yukiei Matsumoto, sagt, dass er rund eine Million Besucher für die Sportveranstaltungen im nächsten Jahr erwartet. Der Wiederaufbau von Fukushima ist ein sorgfältig geplanter Versuch, nach 3/11 einen Neubeginn zu wagen. Matsumoto, der in der Region aufgewachsen ist, schwört, dass er Fukushima wieder zu seinem alten Glanz verhelfen und wiederaufbauen möchte.
Eine veränderte Wahrnehmung der Lebensmittelsicherheit
Abgesehen von den verwirrenden Erzählungen der Medien über die Katastrophe von Fukushima werden die tatsächlichen Personen, die sie erlebt haben, oft übersehen. Hier gibt es Familien, die bereits seit Jahrhunderten in diesem Teil Japans leben. Dazu gehört auch ein Bauer, Nagatoshi „Naga“ Shiraishi, aus 8. Generation, in der Stadt Iwaki. Mit einer wunderschönen Skyline von bunten Bergen, die sein Anwesen umgeben, lebt er in einem 142 Jahre alten Haus, das seine Familie gebaut hat. Auf die Frage, ob er hier auf diesem Land aufgewachsen sei, antwortet er: „Ja, das war früher mein Spielplatz, als ich ein Kind war.“ Er breitet seine Arme aus und zeigt auf seine Reihen von Kohl und Brokkoli. „Dass alles hier ist nicht nur mein Arbeitsplatz, denn als die Katastrophe kam, war mein erster Gedanke, dass wir keinen Spielplatz nun mehr hier haben. Das habe ich zuerst gedacht.“, erzählt er weiter.
Da sein Ackerboden negativ auf Radioaktivität getestet wurde, ist Shiaraishi der Meinung, dass sein Gemüse sicher geeignet ist für den Verzehr. Aber eine der Hauptherausforderungen, mit denen er und andere Landwirte konfrontiert sind, ist die Tatsache, dass TEPCO und die falsche Handhabung der japanischen Regierung mit der Kernschmelze zu einer verdrehten Wahrnehmung von Fukushima und der Sicherheit der Lebensmittel geführt haben. Die Stadt Iwaki ist jedoch dabei, die Landwirtschaft der Stadt zu unterstützen, und trotz der Angst der Menschen, lokale Lebensmittel zu sich zu nehmen, ist Shiaraishi entschlossen, seine frischen Bio-Produkte zu verkaufen.
Nach der Katastrophe freundete er sich mit dem international anerkannten Chef, Hagi Harumoto, an, der ebenfalls Besitzer eines französischen Restaurants ist. „Wir hatten viel Zeit zum Nachdenken und Sake trinken“, sagt Shiaraishi. Hagi hatte sein Restaurant ursprünglich 1999 eröffnet, und eine Vielzahl von Stammgästen, die seine Küche liebten. Nach 3/11 blieben die Gäste jedoch weg und er ging Bankrott. Alle Zutaten, die er in seinem Restaurant verwendete, waren verschwunden. „Es war ein Schock für mich“, berichtet Hagi.
Hagi entschied sich, aus Solidarität mit seiner von der Katastrophe heimgesuchten Gemeinde, Obst und Gemüse aus der Region zu verwenden. Unmittelbar nach 3/11 waren lokale Produkte knapp, aber nach drei Jahren konnte Hagi einheimische Zutaten von nahe gelegenen Landwirten beziehen, darunter auch Shiaraishi, die keine Chemikalien oder Pestizide für ihre Ernte verwenden. „Als Restaurantbesitzer habe ich die Verantwortung, sichere und ungefährliche Lebensmittel bereitzustellen, aber diese könnte ich eigentlich überall kaufen“, erklärt Hagi. Er erkannte jedoch, dass die lokalen Produkte und der Fisch ein wahrer „Schatz“ waren. Sie sind einzigartig in der Region, was seinem Essen einen süßen und eleganten Geschmack verleiht, der ungeahnte Geschichten des Landes verkörpert.
Im Jahr 2013 wurde Hagi eingeladen, für den französischen Präsidenten Hollande und den Prinzen Albert von Monaco in Europa zu kochen. Im darauffolgenden Jahr verlieh das japanische Ministerium für Landwirtschaft, Forsten und Fischerei, Hagi den „Ryori Masters“-Preis. „Als ich anfing, einheimisches Gemüse zu verwenden, haben mich die Leute ausgelacht“, erzählt er. Heute ist er der stolze Besitzer eines französischen Spitzenrestaurants in der Präfektur Fukushima, das exklusiv genug ist, um nur acht Personen pro Tag zu bedienen.