Skip to main content

In Zeiten des fortschreitenden Klimawandels wird nachhaltiger Tourismus immer wichtiger. Aber nicht nur der Schutz von Klima und Umwelt, sondern auch der Erhalt traditioneller Lebensweisen spielt dabei eine Rolle. Wir stellen drei Übernachtungsmöglichkeiten in der Präfektur Tokushima vor, die sich dem Thema Nachhaltigkeit verschrieben haben.

Zero Waste Center: Kampf gegen den Müll 

Die kleine Gemeinde Kamikatsu, etwa eine Autostunde entfernt von Tokushimas gleichnamiger Hauptstadt, hatte einst ein Müllproblem. Um diesem Herr zu werden, begann man 1997 als einer der ersten Orte in Japan mit der Mülltrennung. Nur ein paar Jahre später, im Jahr 2003, verabschiedete der Stadtrat die “Zero Waste”-Deklaration, in der man sich das Ziel setzte, in Zukunft 100 % des Mülls zu recyceln. Gut 16 Jahre später konnte man dann auch tatsächlich eine beachtliche Recyclingquote von 80 % vorweisen. Nur zum Vergleich, Japan hat eine durchschnittliche Quote von etwa 20 %.

Im Zentrum der Bemühungen steht das Zero Waste Center. Bei meinem Besuch dort wurde ich herumgeführt von Otsuka Momona, einer jungen Frau, die begeistert von der Initiative der Stadt, nach ihrem Studium nach Kamikatsu gezogen ist, um sich hier zu engagieren. Sie erklärte mir das Konzept des Centers in allen Einzelheiten. Biologische Abfälle werden von den Anwohnern zu Hause kompostiert. Alles andere bringen sie selbst zum Zero Waste Center, es gibt also keine Müllabfuhr in der Stadt. Am Center sortieren sie dann den Müll in verschiedene Container, die in 45 Kategorien unterteilt sind. Sachen, die man noch gebrauchen kann, kommen in den Secondhandshop des Zero Waste Centers, wo sie allerdings nicht verkauft werden, sondern von jedem Besucher kostenlos mitgenommen werden können. Mir fiel auf, dass es überhaupt nicht stank. Das liegt daran, dass die Menschen von Kamikatsu ihren Müll gründlich säubern, bevor sie ihn hierher bringen.

Zero Waste Center in Kamikatsu, Präfektur Tokushima, Japan.
Otsuka Momona erklärte mir, wie das Zero Waste Center funktioniert.

Das Center besteht aus einem lang gezogenen Gebäude, das mit Holz von lokalen Zedern und gebrauchten Fenstern und Türen aus dem Ort gebaut wurde. An einem Ende zeichnet es einen Bogen um 180 Grad, sodass es die Form eines Fragezeichens annimmt. Die eigentliche Idee dahinter war es, das Ausladen mit dem Auto zu vereinfachen, aber die Fragezeichen-Form wurde zur Inspiration für das Leitbild des Centers, nämlich sich beim Umgang mit Konsumgütern ständig zu fragen: “Warum?”. Warum kaufe ich es? Warum produziere ich es? Warum werfe ich es weg? Ziel ist es, ein neues Bewusstsein im Umgang mit unseren Ressourcen zu erlangen.

Außenansicht vom Zero Waste Center in Tokushima.
Man kann gut die gebrauchten Fenster und Türen erkennen, die für den Bau verwendet wurden.

Den Punkt des Fragezeichens bildet ein rundes Gebäude am anderen Ende des Centers, das Hotel Why. Hier können Gäste, die mehr über das Zero Waste Center lernen oder einfach ein bisschen das japanische Kleinstadtleben erfahren möchten, mit bis zu vier Personen in einem der vier Räume des Hotels übernachten. 

Hotel vom Zero Waste Center.
Das Hotel des Zero Waste Centers.
Zero Waste Center
Webseite: www.why-kamikatsu.jp/en/ (Englisch)
Adresse: 7-2, Aza Shimohiura, Oaza Fukuhara, Kamikatsu-cho, Katsura-gun, Tokushima, 771-4501 Japan

Earthship Mima: Nachhaltig wohnen

Das Earthship Projekt wurde von dem Amerikaner Michael Reynolds ins Leben gerufen. Nach dem Ende seines Architekturstudiums im Jahr 1969 suchte dieser nach einem nachhaltigen Konzept für den Häuserbau. Über die Jahrzehnte entwickelte er die Bauweise seiner Gebäude immer weiter. Seit der Jahrtausendwende finden sich immer mehr davon auch außerhalb der USA. Eins davon steht seit ein paar Jahren in den Bergen von Tokushima. Ich fuhr dorthin, um mir das Gebäude aus nächster Nähe anzusehen und traf Kurashina Tomoko, die den Bau initiiert hatte und nun im ersten Earthship Japans wohnt. Sie erzählte mir, dass sie schon immer von einem Leben in den Bergen geträumt hatte. Als dann der Zeitpunkt in ihrem Leben kam, an dem sie nichts mehr davon abhielt, diesen Traum zu verwirklichen, fasste sie den Entschluss, Michael Reynolds zu kontaktieren, von dessen Projekt sie vorher gehört hatte. Der Bau des Earthship Mima dauerte dann tatsächlich nur vier Wochen. Menschen aus aller Welt kamen, um bei dem Bau zu helfen und gleichzeitig zu lernen, wie man sein eigenes Earthship bauen kann.

Earthship Mima von Michael Reynolds.
Die Lehmwände schützen gleichermaßen vor Hitze und Kälte.

Für den Strom sorgen Solarzellen auf dem Dach, die an zehn Truck-Batterien angeschlossen sind. Bei schlechtem Wetter kann aber auch mal der Strom ausgehen. Zum Glück wohnt Kurashina-san nicht ganz isoliert, sondern hat Nachbarn, die sie an dunklen Tagen auch schon mal zum Essen einladen.

Regenwasser wird in sechs großen Tonnen gespeichert, sodass immer genug vorhanden ist. Durch das ausgeklügelte Wassersystem des Earthship Mima hält sich der Verbrauch ohnehin in Grenzen. Das Wasser wird zunächst für das Bad und die Küche genutzt. Danach dient es der Bewässerung der Pflanzen im Wintergarten. Von dort fließt das Wasser in den Toilettenkasten und anschließend in einen septischen Tank.

Innenansicht vom Earthship Mima.
Im Inneren werden essbare Pflanzen angebaut.

Eine Klimaanlage, die man in fast jedem japanischen Haushalt finden kann, ist nicht notwendig. Die Lehmwände sorgen für eine gute Isolation, sodass es im Sommer schön kühl, aber im Winter geschützt vor der Kälte ist. Außerdem gibt es ein natürliches Belüftungssystem, das bei Bedarf an heißen Tagen eine zusätzliche Kühlung ermöglicht.

Wer sich für dieses spannende Konzept interessiert oder ein bisschen Zeit in den abgeschiedenen Bergen von Tokushima verbringen will, der kann auch im Earthship Mima übernachten. Eines der beiden Schlafzimmer steht für bis zu vier Gäste zur Verfügung. Wer das gesamte Haus mit den zwei Schlafzimmern für sich haben möchte, kann das ebenfalls mit Kurashina-san arrangieren.

Earthship Mima
Webseite: www.earthshipmima.com/ (Japanisch)
Adresse: 22-2 Mimacho, Mima, Tokushima 771-2102 Japan

Koya: Übernachtung in einem alten Bauernhaus

Das ursprüngliche Leben in einem japanischen Bergdorf erlebt man bei einer Übernachtung im Kominka Yado Koya. Das alte Bauernhaus wurde vor etwa 120 Jahren erbaut und zum Kulturschatz ernannt. Im Inneren kann man die Holzkonstruktion des hoch gebauten Reetdaches bestaunen, welche vom Rauch der Feuerstelle mittlerweile pechschwarz geworden ist. Das Ganze hat jedoch einen praktischen Zweck, da hierdurch das Holz haltbar gemacht und vor Schädlingen geschützt wird.

Bewirtet werden die Gäste von Nakayama-san, der sich mit seiner Frau und seiner Schwiegermutter liebevoll um das Haus kümmert. Ich wurde in das Zimmer mit der Feuerstelle gebeten, auf der das Abendessen vorbereitet wurde. Es gab allerlei lokale Spezialitäten, allen voran Hirarayaki (ひらら焼き), mit dem sich die Menschen im Dorf früher für einen Tag harter Arbeit belohnten. Ein flacher Stein oder eine Metallplatte wird über dem Feuer erhitzt, während eine großzügige Portion Miso-Paste auf ihr verteilt wird. Als Nächstes wird Sake, Zucker und Wasser in die Mitte gegeben, um die Miso-Paste zu verdünnen, um dann frische Süßwasserfische zusammen mit Tofu, Kartoffeln und Konjac darin zu kochen.

Lokale Produkte in einem Kominka, Präfektur Tokushima.
Lokale Lebensmittel spielen eine große Rolle beim Abendessen an der Feuerstelle.

Man kann im Koya aber nicht nur übernachten. Herr Nakayama zeigt seinen Gästen auch, wie die Menschen in den Bergen Gemüse anpflanzen oder wie man Soba-Nudeln selber macht. Man sollte also mindestens zwei Nächte einplanen, damit man auch genug Zeit dafür hat. Wenn man danach fragt, erklärt er sich auch gerne dazu bereit, einem die Gegend zu zeigen. 

Die Betreiber vom Kominka Yado Koya.
Herr Nakayama und seine Schwiegermutter sind fantastische Gastgeber.
Kominka Yado Koya
Webseite: www.kouya18508.wixsite.com/kominkayado (Japanisch)
Adresse: 311 Higashi Iya Kubo, Miyoshi, Tokushima 778-0202 Japan

Anfahrt

Von Tokio, Kyoto, Osaka oder Hiroshima aus kann man mit dem Tokaido Shinkansen bis zum Bahnhof Okayama fahren. Von Okayama nimmt man den Limited Express nach Takamatsu und dort einen weiteren Zug zum Bahnhof Tokushima. Von Osaka aus kann man auch mit dem Highway Bus fahren, was etwa 3 Stunden dauert. Außerdem ist Tokushima von Wakayama aus in etwa 2 Stunden mit der Fähre zu erreichen.

Wer nach Japan kommt und sich für das Thema Nachhaltigkeit interessiert, der kann in Tokushima nicht nur einen noch unentdeckten Teil Japans mit wunderschönen Landschaften erkunden, sondern auch diese tollen Projekte unterstützen, die sich den Erhalt der Natur und traditionellen Kultur verschrieben haben.

Gesponsert von Shikoku District Transport Bureau, der Präfektur Tokushima, Kagawa Prefecture Tourism Association und Wakayama Tourism Bureau.

Thomas Siebert

Thomas Siebert

Als ich das erste Mal eine Kampfkunsthalle betrat, hatte ich keine Ahnung, dass mich das einmal zum Studium der Japanologie und Buddhismuskunde führen würde. In 2015 zog ich dann von Koblenz nach Kyoto, um meine Studien des Buddhismus zu vertiefen und meine Liebe für Japan mit anderen zu teilen. Jetzt lebe ich in Sendai, wo ich weiterhin meiner Leidenschaft für traditionelle japanische Kultur folgen darf.

Leave a Reply