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In den letzten Jahren hat es einen regelrechten Pilger-Boom gegeben und das nicht ohne Grund. Bei einer Pilgerwanderung kann man Geschichte und Kultur erleben, sich draußen an der frischen Luft bewegen und mit jedem Schritt ein bisschen mehr zu sich selbst finden.

Auch in Japan gibt es einige Pilgerwege zu entdecken. Ich beschäftige mich zwar schon seit vielen Jahren mit dem Thema Religion in Japan, aber mit Pilgerschaften hatte ich mich bisher noch nicht eingehender auseinandergesetzt. Und das, obwohl ich auch schon viel in Japan gewandert bin. Es war also an der Zeit, diese beiden Interessen zusammen zu führen und mehr über die Faszination des Pilgerns zu erfahren.

Einer der bekanntesten Pilgerwege Japans ist der etwa 1.200 km lange Shikoku Henro (四国遍路, auch Shikoku-Pilgerweg genannt), der einmal rund um die Insel Shikoku, einer der vier Hauptinseln Japans, führt. Wer diesen Weg beschreitet, wandelt auf den Spuren des legendären Mönchs Kobo Daishi Kukai (弘法大師空海). Er führt zu 88 Tempeln und anderen heiligen Stätten, an denen er im 9. Jahrhundert gewirkt haben soll. 

Der japanische Mönch Kobo Daishi Kukai.
Eine Statue von Kukai im Tempel Zentsuji.

Während die meisten japanischen Pilgerwege zu einem heiligen Berg führen oder sich auf die Verehrung eines bestimmten Buddhas konzentrieren, dreht sich beim Shikoku Henro alles um Kukai, der unzählige Wundertaten vollbracht haben soll. So soll er etwa Kranke geheilt, zahlreiche Brücken und Brunnen erbaut und unzählige Tempel im ganzen Land errichtet haben. Obwohl einige seiner Leistungen mit hoher Wahrscheinlichkeit in das Reich der Legenden gehören, ist Kukai bis heute anerkannt als einer der bedeutendsten Denker und religiösen Figuren Japans.

Was den Shikoku Henro so einzigartig macht

Nach meinem Besuch in Koyasan (高野山), wo Kukai seit fast 1200 Jahren in ständiger Meditation weilen soll, nahm ich die Fähre nach Tokushima im östlichen Teil Shikokus. Ich hatte das wahnsinnige Glück, mich dort mit einem wahren Experten für den Shikoku Henro treffen zu können. David Morton, geboren und aufgewachsen in Kanada, ist mittlerweile eingebürgerter Japaner. Er lebt seit zwanzig Jahren in Tokushima und forscht dort über die Geschichte des Shikoku Henro. Der perfekte Gesprächspartner also, um mehr über die Geschichte dieses Pilgerweges zu erfahren. 

Wir trafen uns am Hafen von Tokushima und fuhren zusammen zum ersten Tempel. Ich nutzte die Fahrt, um ihm einige Fragen zu stellen. Ich wollte wissen, was den Shikoku Henro so einzigartig macht. Einer der Unterschiede zu den meisten Pilgerwegen in Europa sei, dass er zirkulär ist und nicht von A nach B führe, erklärte er mir. Die Tempel sind zwar nummeriert, aber man kann sie in einer beliebigen Reihenfolge besuchen. Außerdem gehöre zu dem Besuch eines jeden der 88 Tempel ein kleines Ritual, bei dem man das Herz-Sutra und das Mantra des jeweiligen Hauptbuddhas des Tempels rezitiert und sich dann einen Stempel und eine kunstvolle Kalligrafie in sein Pilgerbuch machen lässt, als Beleg, dass man bei diesem Tempel war.

Ich fragte ihn, warum ausländische Besucher den Shikoku Henro und nicht etwa einen der anderen Pilgerwege in Japan beschreiten sollten. Seiner Meinung nach sprächen vor allem die Gegend und ihre Menschen dafür. Anders als die berühmten Tempel in Kyoto kosten die Tempel des Shikoku Henro keinen Eintritt und es gibt viel weniger Touristen, die hierher kommen. Es ist einfach weniger hektisch. Außerdem hat man während der Wanderung die Gelegenheit, alle vier Präfekturen von Shikoku kennenzulernen, die alle ihren eigenen Charme besitzen. 

Herbstlaub in Shikoku, Japan.
Wer im Herbst auf Pilgerschaft geht, kann das die tollen Farben des Herbstlaubs bewundern.

Aber das Wichtigste sei die Herzlichkeit der lokalen Bevölkerung. Auf Shikoku gibt es in Verbindung mit dem Pilgerweg eine ganz besondere Kultur der Gastfreundschaft, osettai (お接待) genannt. Es kommt häufiger vor, dass den Pilgern Kaki-Früchte, Snacks, Getränke und in manchen Fällen sogar ein bisschen Geld zugesteckt wird, um sie auf ihrer Pilgerschaft zu unterstützen. Es gibt in manchen Orten sogar eigens Vereine, um diese Kultur zu pflegen. Ursprünglich hatte das Ganze eine religiöse Bedeutung. Es wird geglaubt, dass Kukai die Pilger während ihrer Pilgerwanderung ständig begleitet, daher wird ihnen von den Gläubigen derselbe Respekt entgegengebracht, den sie dem ehrwürdigen Mönch selbst entgegenbringen würden, in der Hoffnung, dadurch Kukais Segen zu erhalten. Bis heute tragen die Pilger Papierstreifen mit sich, die sie als Talismane an die Menschen verteilen, die ihnen auf ihrer Pilgerschaft helfen. Heutzutage spielt dieser Glauben allerdings eine untergeordnete Rolle und die meisten Anwohner freuen sich einfach darüber, dass Besucher aus dem ganzen Land und manchmal sogar aus dem Ausland zu Besuch kommen.

Herr Morton erzählte mir eine Anekdote, wie er einmal mit ausländischen Gästen auf dem Pilgerweg ging, als ihnen eine Frau ein Netz mit zwei Kilo Orangen in die Hand drückte. Natürlich konnten sie nicht alle selber essen, also stellten sie sich an einen Supermarkt und verteilten sie an die Menschen, die aus dem Supermarkt heraus kamen. “Nicht nur die Anwohner helfen den Pilgern,” sagte mir Herr Morton mit einem Lächeln im Gesicht, “auch die Pilger helfen den Anwohnern. Und das macht die ganze Sache so wertvoll.”

Ryozenji: Die Pilgerschaft beginnt

Natürlich wollte ich nicht nur über den Shikoku Henro reden, sondern selbst einige der Tempel besuchen. Der erste Tempel auf unserer Liste war Ryozenji (霊山寺), Tempel Nr. 1 auf dem Pilgerweg. Kukai soll hier 21 Tage lang religiöse Übungen vollzogen haben. Weil dieser Tempel von Koyasan aus gesehen, der am nächsten gelegene Tempel auf dem Shikoku Henro ist, beginnen viele Pilger ihre Pilgerwanderung am Ryozenji. Daher kann man hier auch alles bekommen, was man für die Pilgerschaft braucht. Die typische Pilgerkleidung mit dem weißen Baumwolloberteil, dem Seggehut, dem Pilgerstab, das Pilgerbuch und die Wagesa, eine Schärpe, die man sich um den Hals legt und die symbolisch für die Robe buddhistischer Mönche steht. Wer einfach mal ausprobieren möchte, wie es sich anfühlt, in Pilgerkleidung einen Tempel zu besuchen, kann sich diese hier auch ganz einfach ausleihen.

Japanische Laternen in einem Tempel.
Jede dieser Lampen trägt den Namen des Spenders.

Wir gingen durch das eindrucksvolle Holztor am Eingang des Tempels und in die Haupthalle, in der unzählige Lampen von der Decke hingen. Ein fantastischer Anblick. Alle diese Lampen wurden von Gläubigen gespendet, in der Hoffnung, damit gute Verdienste anzuhäufen. Hier traf ich auch auf die ersten Pilger. Nachdem ich schon so viel über den Pilgerweg gehört hatte, war es aufregend, mit eigenen Augen zu sehen, wie sie vor der Halle in der Kukai verehrt wird, beteten und Sutren rezitierten.

Tairyuji: Der Tempel in den Bergen

Der Tempel Tairyuji (太龍寺) liegt tief in den Bergen von Tokushima, umgeben von uralten Zedern und Zypressen. Wegen seiner Lage galt er lange als einer der eher schwierig zu erreichenden Tempel. Das änderte sich erst 1992, als eine Seilbahn errichtet wurde, um den Besuch zu erleichtern. Nachdem man mit der Seilbahn über den ersten Berg gekommen ist, schwebt man über ein grünes Tal bis zu dem nächsten Gipfel, auf dem sich Tairyuji befindet. Anders als Ryozenji, der sich in einer ländlichen Wohngegend befindet, ist man hier mitten in der Natur, mit fantastischen Ausblicken auf die umgebenden Berge. Bevor er nach China reiste, um die esoterischen Lehren zu empfangen, soll sich Kukai hier einem hunderttägigen Training unterzogen haben, bei dem er auf einem Felsvorsprung saß und das Mantra des Bodhisattva Kokuzo (虚空蔵菩薩) rezitierte. In den hundert Tagen des Trainings hat er das Mantra unglaubliche eine Millionen Mal rezitiert und soll dadurch ein übermenschliches Gedächtnis bekommen haben. Eine praktische Fähigkeit, wenn man in ein weit entferntes Land reist, um neue Lehren nach Japan zu bringen. Die hätte ich während meines Studiums auch gut gebrauchen können.

Statue vom Mönch Kukai in Japan.
Vielleicht war es dieser Felsen, auf dem Kukai hundert Tage lang Mantras rezitierte.

Etwa fünfzehn Minuten zu Fuß von der Haupthalle entfernt, findet man auf einem Felsvorsprung eine Statue von Kukai, so als würde er bis heute dort sitzen und Mantras rezitieren. Die Statue ist einige Meter entfernt vom Weg, aber ich konnte sehen, dass in den schroffen Fels eine Kette befestigt war. Um bis zu der Statue zu kommen, muss man nämlich ein wenig kletterfreudig sein. Wer es jedoch wagt, bis zu der Statue zu kraxeln, der wird mit einer atemberaubenden Aussicht belohnt. Von dem Felsen konnte ich kilometerweit über das Gebirge blicken und sogar bis zur über 17 km entfernten Seto-Inlandsee schauen. Als es langsam Abend wurde, nahmen wir die Seilbahn zurück. Während wir wieder über dem Tal schwebten, ging die Sonne hinter den Bergen unter.

Die Tairyuji-Seilbahn auf dem Shikoku-Pilgerweg, Japan.
Von der Seilbahn aus, hatten wir einen grandiosen Blick auf den Sonnenuntergang.

Es war ein wunderschöner Sonnenuntergang, den ich so schnell nicht vergessen werde.

Zentsuji: Der Geburtsort Kukais

Wir verbrachten die Nacht im Shin-iya Onsen Hotel Kazurabashi im Iya-Tal und fuhren am nächsten Tag weiter in die Stadt Zentsuji in der Präfektur Kagawa. Die Stadt ist benannt nach dem Tempel Zentsuji (善通寺), der unser nächstes Ziel war. Hier soll Kukai geboren worden sein und später den Tempel selbst gegründet haben. Dementsprechend bedeutend ist dieser Tempel für die Anhänger Kukais, was sich alleine schon an der eindrucksvollen Größe des Tempelgeländes erkennen lässt. Im östlichen Teil befindet sich eine fünfstöckige Pagode und die Haupthalle des Tempels, die im 17. Jahrhundert erbaut wurde. Noch beeindruckender als das Gebäude selbst fand ich allerdings die riesige Buddha-Statue im Inneren. Wie andere Buddha-Statuen auch war sie so gemacht, dass ihr Blick leicht nach unten gerichtet ist und den Betrachter direkt ansieht. Es ist mit Worten kaum zu beschreiben, aber der Künstler hat es geschafft, dass mich der gütige Blick dieses Buddha im Innersten bewegte. Für mich ist es gerade das, was sakrale Kunst ausmacht, uns auf eine Art zu berühren, wie es doktrinäre Texte nicht vermögen.

Die Haupthalle und Pagode des Zentsuji-Tempels.
Links die Haupthalle, rechts die fünfstöckige Pagode des Zentsuji.

Im westlichen Teil des Tempels steht die Miedo Halle, in der Kukai verehrt wird. Innerhalb der Halle führen Treppen hinunter in einen Gang, der einen direkt unter die Stelle führt, an der Kukai geboren sein soll. Der Gang ist komplett dunkel, sodass man mit einer Hand an der Wand entlang fühlen muss, um den Weg zu finden. Die Dunkelheit soll den Besucher zur inneren Einkehr einladen, allerdings habe ich mich mehr darauf konzentriert, der Person vor mir nicht in die Hacken zu treten. Nichtsdestotrotz war es ein eindrückliches Erlebnis. In der Nähe des Zentsuji gibt es auch die Möglichkeit, in einem der kleineren Tempel zu übernachten, was sich besonders anbietet, wenn man die morgendliche Andacht besuchen möchte, um zusammen mit den Pilgern und Menschen aus der Nachbarschaft den buddhistischen Gesängen der Mönche zu lauschen.

Le Paysan: Shojin Ryori auf französische Art

Eine Übernachtung in einem Tempel lohnt sich alleine schon für das aufwendig angerichtete Shojin Ryori (精進料理). Bei der Zubereitung wird dabei denselben Regeln gefolgt, wie bei der Zubereitung der Speisen für die Mönche. Das heißt, dass nicht nur auf tierische Lebensmittel verzichtet wird, sondern auch auf stark riechende Pflanzen wie Knoblauch oder Zwiebeln, da diese zu sehr die Sinne anregen und den Mönchen damit das Meditieren erschweren könnten.

Das Le Paysan, in der Nähe des Zentsuji, bietet moderne Fusionsküche, indem es die traditionellen Regeln für die Zubereitung von Shojin Ryori mit französischer Kochkunst vereint. Das stellt den Koch natürlich vor einige Herausforderungen. Der Chefkoch des Le Paysan hat jahrzehntelang herum experimentiert, bis er mit seinen Kreationen zufrieden war. “Für die Torte, die es zum Nachtisch gibt, habe ich zehn Jahre gebraucht, um sie so hinzubekommen. Es sind weder Ei noch Milch enthalten,” erzählte er uns. Das mehrgängige Menü war ein wahres Fest. Die Süßkartoffelsuppe war wunderbar cremig und die herzhafte Soße am Tofugeschnetzelten fein abgeschmeckt. Und als ich die Torte aß, dachte ich einfach nur, dass sich die 10-Jahre-Arbeit, die er in diese süße Köstlichkeit gesteckt hatte, wahrlich gelohnt haben.

Koyamaji: Eine besondere Meditationserfahrung

Ganz in der Nähe des Zentsuji befindet sich der Tempel Koyamaji (甲山寺). In der Gegend um den Koyamaji soll Kukai bereits als Kind gespielt und aus Matsch kleine Buddha-Statuen geformt haben. Als er Jahre später wieder hierher kam, um einen Ort für einen neuen Tempel zu suchen, kam ein alter Mann aus einer Höhle zu ihm und riet ihm, den Tempel an dieser Stelle zu errichten. Nachdem Kukai kurze Zeit später im Auftrag des Kaisers ein Wasserreservoir in der Gegend angelegt hatte, baute er Koyamaji, um die erfolgreiche Fertigstellung des Projekts zu feiern.

Von außen sticht der Koyamaji nicht sonderlich zwischen den anderen Tempeln des Shikoku Henro hervor, aber wir kamen hierher, um an einer besonderen Meditationserfahrung teilzunehmen. Der Abt des Tempels begrüßte uns und zeigte uns stolz die kunstvollen Wandmalereien in einem der Tempelgebäude. Er hatte sie bei dem bekannten Künstler Okamoto Kohei in Auftrag gegeben. Die Malereien stellen die chinesischen Schriftzeichen des Herz-Sutras in Form eines Mandala dar. Aber anders als die Werke der klassischen japanischen Kalligrafie, die ich gewohnt war, sieht Okamotos Werk aus wie moderne Kunst. Die mit einem breiten Pinsel gezeichneten Striche gehen in unregelmäßige Wellen über, die an aufsteigenden Rauch erinnern. Goldene und silberfarbene Kleckse sind auf der ganzen Wand verteilt und erschaffen eine kunstvolle Unordnung.

Wandgemälde des japanischen Künstlers Okamoto Kohei.
Der Abt des Koyamaji zeigte uns die Malereien des Künstlers Okamoto Kohei.

In einem anderen Raum waren mit wilden Pinselzügen bunte Striche vertikal auf die Schiebetüren gemalt. Sie symbolisieren segenreichen Regen, der in den Farben des reinen Landes auf die Erde kommt. In einer trockenen Gegend wie Kagawa, hat Regen eine besondere Bedeutung. “Ich habe die Malerei erst gesehen, als sie fertiggestellt war,” verriet uns der Abt mit einem verschmitzten Lächeln auf den Lippen. “Ich war erst sehr überrascht, aber ich habe mich mittlerweile daran gewöhnt und jetzt mag ich es,” sagte der Abt. In der Tat sieht man diese Art der Malerei nicht jeden Tag in einem Tempel, aber gerade das macht sie vielleicht so besonders. Mir jedenfalls gefiel die Kunst von Okamoto Kohei.

Wir gingen zurück in einen der anderen Räume, wo der Abt uns eine Meditation lehrte, die man in Japan in dieser Form nur in Tempeln des esoterischen Buddhismus findet, die sogenannte Mondscheiben-Meditation (月輪観 gachirinkan ). Man visualisiert eine reine, weiße, vollkommen runde Mondscheibe vor sich. Dann visualisiert man sie in der eigenen Brust. Als Nächstes stellt man sich vor, wie sie immer größer und größer wird, Stück für Stück. Erst ist sie so groß wie man selbst, dann wie der Raum, wie das Gebäude, die Stadt, die Erde und schließlich so groß, dass sie alles im Universum einschließt. Man verweilt eine Zeit lang in diesem Gefühl der vollkommenen Einheit mit dem Universum und lässt die Mondscheibe dann allmählich wieder schrumpfen, bis sie wieder in die eigene Brust passt. Eine tolle Erfahrung, die ich jedem ans Herz legen möchte.

Wandern auf historischen Pfaden

Der Shikoku Henro besteht natürlich nicht nur aus den Besuchen der Tempel, sondern vor allem auch aus dem Weg zwischen ihnen. Ein ganz besonderer Teil des Weges liegt zwischen den Tempeln Shiromineji (白峯寺) und Negoroji (根来寺). Einige Teile des Pfades sind noch in ihrem ursprünglichen Zustand, wofür sie zur “Nationalhistorischen Stätte” ernannt wurden. 

Teil des Shikoku-Pilgerweges als nationalhistorische Stätte.

Bevor wir losgingen, zeigte mir Herr Morton noch ein altes Buch. Es handelte sich um einen Reiseführer aus der Edo-Zeit (1603 – 1863), der den Pilgerweg beschrieb. Zwischen 1688 und 1690 entstanden die ersten Bücher dieser Art, die den Shikoku Henro bei der breiten Bevölkerung populär machten. Davor waren es vor allem Asketen, die sich auf die Wanderschaft begaben. Als großer Fan antiker Büchern war ich hellauf begeistert, einen Blick in dieses Buch werfen zu können und so ein Stück der Geschichte des Shikoku Henro in eigenen Händen zu halten.

Japanisches Buch aus der Edo-Zeit.
In dem Reiseführer gibt es sogar Illustrationen der Hauptbuddhas jedes Tempels.

Der Weg führte uns durch einen Wald, über Stock und Stein und gelegentlich sogar über kleinere Bäche, die sich wegen des Regens am Vortag gebildet hatten. Während wir so durch den Wald wanderten, dachte ich über die letzten Tage nach und was ich alles gelernt hatte. Vor meiner Reise dachte ich, dass die Leute, die sich dazu entschließen, den Shikoku Henro zu beschreiten, dies vor allem als eine religiöse Übung taten. Aber je mehr ich mit den Leuten sprach, desto mehr merkte ich, wie unterschiedlich ihre Beweggründe waren. Manche versprachen sich von der Pilgerschaft, dass sich ihnen bei erfolgreichem Abschluss ein Wunsch erfüllt. Andere taten es, weil sie der Meinung waren, dass jeder, der auf Shikoku geboren wurde, den Shikoku Henro mindestens einmal im Leben gelaufen sein sollte. Der Sohn einer Frau, mit der ich sprach, machte die komplette Pilgerschaft mit dem Fahrrad. Er hatte dabei nicht mal die Pilgerkleidung an, er machte es schlicht und einfach, weil er gerne Fahrrad fuhr. 

Es gibt sicher viele gute Gründe, den Shikoku Henro, oder zumindest einen kleinen Teil des Pilgerpfades zu gehen. Wer als Besucher nach Japan kommt und einen weniger bekannten Teil des Landes entdecken will, wer mit den Menschen von Shikoku in Kontakt kommen möchte und sich für die Jahrhunderte alte Geschichte und die spirituelle Kultur hinter dem Shikoku Henro interessiert, der sollte seinen Seggehut aufsetzen, den Pilgerstab in die Hand nehmen und loslaufen. Keine Sorge, Kukai ist immer mit dabei. 

Gesponsert von Shikoku District Transport Bureau, der Präfektur Tokushima, Kagawa Prefecture Tourism Association und Wakayama Tourism Bureau.

Thomas Siebert

Thomas Siebert

Als ich das erste Mal eine Kampfkunsthalle betrat, hatte ich keine Ahnung, dass mich das einmal zum Studium der Japanologie und Buddhismuskunde führen würde. In 2015 zog ich dann von Koblenz nach Kyoto, um meine Studien des Buddhismus zu vertiefen und meine Liebe für Japan mit anderen zu teilen. Jetzt lebe ich in Sendai, wo ich weiterhin meiner Leidenschaft für traditionelle japanische Kultur folgen darf.

3 Comments

  • Avatar Michael sagt:

    Was für ein schöner Bericht, vielen Dank! 🙂

    Am tollsten für mich war die Stelle: „Der Sohn einer Frau, mit der ich sprach, machte die komplette Pilgerschaft mit dem Fahrrad“ – denn genau das ist mein Plan für nächstes Jahr und ich war mir nicht sicher, ob das geht.

    Ich wollte es zwar eigentlich zu Fuß machen, jedoch sind 1.200km schon eine Hausnummer.
    Der wesentlichere Grund ist allerdings, dass wohl 85% der Strecke asphaltiert sein sollen?
    Dann ist zu Fuß gleich nicht mehr so spaßig und das Fahrrad bietet sich an! 🙂

    Denkst du denn, dass Fahrrad in traditioneller Kleidung funktioniert..?

    Und was schätzt du, wie lange man mit dem Fahrrad braucht? 🙂

    Melde dich sehr gerne bei mir!

    Viele Grüße
    Michael

    • Avatar Michael sagt:

      instagram.com/michael_biller_
      (@michael_biller_)

    • Avatar Voyapon Admin sagt:

      Hallo Michael,

      und vielen Dank für Dein Kommentar. 🙂

      Die wenigsten Menschen machen die gesamte Pilgerreise zu Fuß und in der tat bewegt man sich auf großen Teilen der Strecke auf asphaltierten Straßen. Mit dem Fahrrad dauert das ganze sicherlich auch eine ganze Zeit, aber ich habe leider keine Info dazu wie lange.

      Zu der Pilgerkleidung gehört eine Hose, also sollte es kein Problem mit dem Fahrrad sein. Viele Pilger tragen auch nur das weiße Oberteil und darunter normale Wanderkleidung. 😉
      Das würde sich beim Fahrradfahren auch anbieten.

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